Adventsideen für besondere Zeiten

Glauben heute

Adventsideen für besondere Zeiten

Im Briefkasten liegt eine schöne Karte: «Herzliche Einladung zum gemeinsamen Adventsspaziergang!» Dieses Jahr aber nicht über den Weihnachtsmarkt, sondern zum Beispiel durch den Wald. 

Ausgestattet mit Mütze, Decken und Laternen machen wir uns auf den Weg in den Wald. Jede Person hat vorab einen anderen Auftrag erhalten: die Route ausdenken, eine passende Adventsgeschichte suchen, ein adventliches Ritual vorbereiten, sich um den Punsch kümmern. Unterwegs machen wir uns gegenseitig aufmerksam: Habt ihr dieses Geräusch auch gehört? Was sind das für Spuren, von welchem Tier stammen sie? Wir kommen ins Philosophieren: Welche Spuren hinterlassen wir? Welche haben wir in diesem Jahr hinterlassen? Und welche möchten wir in diesem Advent hinterlassen? Später, während wir unsere Hände an den Punschbechern wärmen, erzählen wir, was uns Weihnachten bedeutet oder was an Weihnachten auf keinen Fall fehlen darf. Bevor es wieder nach Hause geht, machen wir uns auf die Suche nach Souvenirs: eine Kastanie, ein Blatt in Herzform, einen Tannenzapfen, ein Stück Moos. An Weihnachten wird jeder eines dieser Souvenirs an den Weihnachtsbaum hängen. Auch wenn wir dann nicht zusammen feiern, fühlen wir uns nah und erinnern uns an den gemeinsamen Ausflug in den Wald.

Mit Freunden den Weihnachtsmarkt besuchen oder Adventsnachmittage mit vielen Gästen in der heimischen Stube – in diesem Jahr kaum denkbar. Doch wer kreativ ist, kann sich dennoch mit Freunden, Verwandten und Nachbarn auf Weihnachten einstimmen. Es muss nicht gleich ein Ausflug in den Wald sein – man kann seine Freunde auch zum adventlichen Abendspaziergang durch das Dorf oder die Stadt einladen. Zu Beginn zieht jeder eine der Beobachtungsfragen, die zuvor vorbereitet wurden. Alle sind eingeladen, während des Spaziergangs über die jeweilige Frage nachzudenken: Welches Fenster, welcher Platz wirkt auf dich besonders weihnachtlich einladend? Wo spürst du Weihnachtsfreude? Welche Weihnachtswünsche hast du für unser Dorf? Welche Lichterdekoration vermittelt Weihnachtshoffnung? Am Schluss tauschen sich alle im heimischen Garten oder im Park gemeinsam über die Beobachtungen aus.

Dieser Advent bietet aber auch die Chance, die Zeit zuhause bewusst gemeinsam zu gestalten: An jedem Abend liest jemand anderes ein Kapitel aus einer Adventsgeschichte vor – und die Gross-eltern, die nicht dabei sein können, schauen via Video-Chat zu. Oder man liest die Adventskalendergeschichten draussen und lädt die Nachbarn dazu ein. Vielleicht sogar in Verbindung mit einer Achtsamkeitsübung? Jeder wählt in der Guetzli-Dose sein Lieblingsguetzli aus, schaut es ganz genau an. Was ist das Besondere an meinem Zimtstern, meinem Mailänderli? Alle essen ihr Guetzli dann ganz langsam und lassen es Biss für Biss auf der Zunge vergehen. Wer Gemeinschaft und Zusammenhalt trotz Abstandsregeln pflegen will, kann in seinem Quartier einen «umgedrehten Adventskalender» lancieren – allein oder gemeinsam mit anderen: Anstatt sich täglich selber von einem Adventskalender beschenken zu lassen, überlegt man sich jeden Tag eine kleine Überraschung für einen Nachbarn und legt zum Beispiel einen Adventsbrief, eine selbstverfasste Adventsgeschichte oder selbstgebackene Guetzli vor die Tür.

Auch das Smartphone kann ein inspirierender Adventsbegleiter sein, man muss es einfach vor Beginn der Adventszeit entsprechend vorbereiten, z. B. für jeden Adventstag in seinen digitalen Kalender eine Erinnerung, eine Einladung, einen spirituellen Auftrag, einen Bibelvers oder eine Impulsfrage einprogrammieren: «Bringe heute drei Menschen zum Lächeln», «Melde dich heute bei einer Person, von der du schon lange nicht mehr gehört hast» oder «Wer oder was schenkt mir Licht, ist für mich ein Zeichen der Hoffnung?» Wenn mehrere Personen in einem Haushalt ein Smartphone nutzen, kann man sich auch gegenseitig Erinnerungen einprogrammieren – so weiss man nicht, was einen erwartet. Jeden Tag blinkt eine adventliche Nachricht auf und inspiriert einen, sich ganz bewusst auf Weihnachten einzustimmen. 

Auf YouTube gibt es unzählige Videos von Weihnachtsliedern und anderen adventlichen Inhalten. Ich kann mich dort auf die Suche begeben und dann meine Entdeckungen mit anderen teilen, indem ich ihnen den Link zukommen lasse – und diesem einen persönlichen Gruss oder Wunsch anfüge. So helfe ich ihnen, sich auf Weihnachten einzustimmen.

Wer in diesem Jahr zu viel Zeit mit dem Smartphone verbracht hat und sich im Dezember bewusst vor negativen Meldungen schützen möchte, kann auf Analoges setzen – auf Notizbuch und Schreibzeug. Schon vor der Corona-Pandemie haben viele junge Erwachsene «Handlettering» (die Kunst des schönen Schreibens) für sich entdeckt. Vielleicht findet ja gerade in diesem Jahr eine beliebte norwegische Adventstradition auch bei uns Anklang. Dort ist es Brauch, ein Adventstagebuch zu führen. Darin werden während der Advents- und Weihnachtzeit Erinnerungen an Erlebnisse, Gedanken und Wünsche, Zukunftsvisionen schriftlich und mit Zeichnungen festgehalten. Bis Ende Dezember – oder 6. Januar – wird täglich eine Doppelseite gefüllt. Schreiben, Malen und Gestalten entschleunigt und schafft Musse, sich ganz auf die besondere Atmosphäre des Advents einzulassen. Ich kann Verwandte oder Freunde zu diesem Brauch motivieren, wenn ich ihnen auf den 1. Advent ein schönes Notizbuch schenke. Damit sie gleich starten können, schreibe ich für sie schon mal die Tage auf die Doppelseiten.

Text: Stephan Sigg, leitender Redaktor Pfarreiforum St. Gallen