Ein neues «Wir»

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Ein neues «Wir»

Papst Franziskus geht mit seiner dritten Enzyklika weiter auf seinem Weg, den er seit Amtsbeginn konsequent verfolgt. Er kämpft für Geschwisterlichkeit unter allen Menschen.  

Der heilige Franziskus mag aus unseren heutigen Augen naiv gewesen sein. In einer Zeit der Kreuzzüge will er «Aggression und Streit» vermeiden und geht zum Feind, zum Sultan. Franziskus wollte damals die Welt prägen, sie besser machen, auf Verständigung setzen. Und das ist für den Papst, der sich nach diesem Heiligen benannt hat, Inspiration genug, sich auch auf dieses Feld zu wagen.

In der neuen Enzyklika «Fratelli tutti» kommt die Sultan-Episode gleich zu Beginn vor. Der Papst will keinen Zweifel daran lassen, wer hier Pate für seine Gedanken steht. Franziskus ist dabei nicht naiv, er schreibt mit offenen Augen für die Probleme der Welt und für gefährliche Tendenzen in Kultur und Wirtschaft.
 

Einsatz für Freiheit ist politisch

Und wie auch schon beim Heiligen aus Assisi ist das, was Papst Franziskus da schreibt, sehr politisch. Nicht parteipolitisch, um nicht missverstanden zu werden, aber es geht um die Gestaltung der Welt. Um Werte, um Dialoge, um – ja auch – um Politik und um Politiker.

Franziskus ist nicht der erste Papst, der das tut. Erinnern wir uns an Papst Benedikt vor dem deutschen Bundestag 2011 oder an Papst Johannes Paul II. und seinen Einsatz für die Freiheit, auch das war sehr politisch.

Franziskus dreht das noch weiter, er spricht über die Politik selber und davon, dass politisches Verhalten, also Einsatz zur Verbesserung der Welt, aus dem Christlichen selbst hervor- geht. Der barmherzige Samariter ist hier einmal mehr sein Ausgangspunkt: es ist eine – wie er sagt – politische Nächstenliebe.
 

Mehr als ein frommer Aufruf

Ganz neu ist das nicht, schon in der Enzyklika «Laudato si’» hatte der Papst davon gesprochen, dass der Schutz der Schöpfung für Christinnen und Christen nicht optional sei, sondern Teil des Glaubens. Das weitet er nun in dieser neuen Enzyklika.

Aufmerksamkeit finden werden Sätze wie der, dass das Recht auf Eigentum nicht absolut sei, oder der Aufruf zur Reform der Vereinten Nationen. Das sind aber nur Aspekte des weitergehenden Gedankens, dass es um die Schaffung eines «Wir» geht und dass das kein frommer Aufruf ist, sondern politischer Einsatz.

Aufmerksamkeit finden wird auch die Tatsache, dass viele Sätze ausgerechnet in einem US-amerikanischen Wahljahr fallen. Aber das darf nicht zum Fingerzeigen führen, das gelte nur für diese oder jene. Der Papst will alle ansprechen, Gläubige sollen bei sich selber anfangen.
 

Friede ist Handwerk

Die Nächstenliebe ist politisch. Und wegen dieser Einsicht sollen Gläubige sich mit allen anderen auf diesem Planeten zusammentun, die ebenfalls für das Gemeinwohl arbeiten. Nicht in Sonntagsreden und Aufrufen, nicht aus der Ferne, sondern konkret. «Handwerk des Friedens» nennt Franziskus das. Und das ist genuine Sache des Glaubens, wie bei schon beim heiligen Franziskus.

In den Worten des Papstes: «Solange wir die aufrichtige Gottessuche nicht mit unseren ideologischen oder zweckmässigen Interessen verdunkeln, hilft sie dabei, uns alle als Weggefährten zu begreifen, wirklich als Brüder und Schwestern.»

Text: Bernd Hagenkord SJ, Vatican News