Kleiner Staat – grosse Medizin

Bericht aus dem Vatikan

Kleiner Staat – grosse Medizin

Der Vatikan ist nicht nur die Zentrale der römischen katholischen Kirche, die «alle Fäden der Weltkirche hält». Der kleinste Staat der Welt ist auch einer der grössten Arbeit-geber im Medizin-Sektor. 

Wie viele Ärzte und Krankenpfleger für den Heiligen Stuhl arbeiten, ist nicht bekannt. Die meisten von ihnen sind auch nicht direkt für den Vatikan tätig. Aber die bekannten rund 4500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Vatikans – vom päpstlichen Gärtner bis hin zu Papst Franziskus – können dank ihnen auf eine gesicherte Gesundheitsvorsorge und medizinische Betreuung zählen. Gerade in der gegenwärtigen Pandemie-Zeit leisten die vatikanischen Medizineinrichtungen in Rom eine wichtige Aufgabe – weit über den Kirchenstaat hinaus. Allein das grosse Kinderspital «Bambino Gesù» («Jesus- Kind-Klinik») hat in den vergangenen Wochen etliche neue Forschungsarbeiten zur Überwindung der Covid-19-Pandemie präsentiert. So wurde im Juni ein sechsjähriger Junge mit akuter lymphoblastischer Leukämie erfolgreich in der vatikanischen Kinderklinik behandelt. Die Ärzte hatten den jungen Patienten, der mit dem Coronavirus infiziert war, zuvor mit einer Plasmabehandlung auf die Knochenmark-Transplantation vorbereitet. Das Plasma erhielt er von einem von der Virusinfektion geheilten Patienten, die besonderen Knochenmark-Stammzellen von seinem Vater. Damit hat die Kinderklinik einen Weg gezeigt, wie auch krebskranke Kinder, die an Covid erkrankt sind, behandelt werden können.

Solche Geschichten gehören zum Alltag im Kinderkrankenhaus. Das Spital wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf Initiative der römischen Adelsfamilie Salviati gegründet und dann dem Papst «geschenkt». Papst Franziskus erinnerte vor fast genau einem Jahr an den 150. Jahrestag der Gründung des Kinderkrankenhauses: «Die Zukunft ist eine Geschichte von Kindern», sagte der Papst. Und er betonte: «Wenn Erwachsene mit Kindern zusammen sind, lernen sie, die Zukunft zu erleben.» Damals sprach noch niemand vom Coronavirus. Wie prophetisch klingen die Worte des Pontifex!

In ganz Rom besitzt der Vatikan 18 Krankenhäuser. Die meisten davon werden von Ordensgemeinschaften geführt und in Zusammenarbeit mit dem italienischen Gesundheitsministerium beziehungsweise mit der regionalen Gesundheitsdirektion der Region Latium organisiert. Da es in Italien eine staatliche, für alle kostenlose Krankenkasse gibt, wird auch der Zugang zu den Vatikan-Spitälern problemlos allen gewährt. Egal, ob man Vatikan-Mitarbeiterin oder katholisch getauft ist. Neben diesen Einrichtungen gibt es noch 26 Reha-Zentren und Altersheime, die ebenfalls dem Heiligen Stuhl gehören.

Den derzeit mit Corona infizierten Schweizergardisten, die ja keinen italienischen Wohnsitz besitzen und während ihres Rom-Aufenthalts Vatikan-Bürger sind, kommt eine Vatikan-interne Gesundheitseinrichtung zugute: die Direktion für Gesundheit und Hygiene. Diese stellt den Gardisten und Angestellten des Vatikans Ärzte und Kliniken zur Verfügung. So kann sich im 42 Hektaren grossen Staat jeder nicht nur seelisch, sondern auch medizinisch sicher fühlen. Auch das gehört zum Katholischsein: Was der «gute Samariter» getan hat, soll jeder Christ tun: für das Wohl der Mitmenschen sorgen.

Was Schweizerinnen und Schweizer immer gerne wissen wollen: Wer bezahlt das? Die Spitäler in Rom werden zum grössten Teil von der Region Latium finanziell getragen. Die vatikanische Gesundheitseinrichtung wird durch einen Beitrag aller Angestellten finanziert, dazu helfen Beiträge des Peterspfennigs oder Spenden an den Vatikan.

Text: Mario Galgano