Grösser als die eigene Angst

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Grösser als die eigene Angst

Wer von einem Talent spricht, meint eine besondere Fähigkeit oder eine Begabung. Diese Bedeutung entstammt der Bibel.

Talent war eine Geldwährung, und in diesem Gleichnis gewinnt es den symbolischen Sinn einer Begabung. Damals war ein Talent ungefähr 6000 Denare wert – eine unfassbar hohe Summe, wenn man bedenkt, dass der Tageslohn ungefähr einen Denar betrug.

Was der Herr also seinen Dienern anvertraut, war ein Vermögen. Doch zwei von ihnen schrecken nicht davor zurück, haben keine Angst, sondern nehmen das Vermögen an, das ihnen vertrauensvoll geschenkt wird, und vermehren es. Dafür werden sie belohnt und sind sich der Zuwendung ihres Herrn sicher.

Im Gegensatz dazu steht der dritte Diener. Er versteckt das ihm anvertraute Vermögen aus Angst. Er steckt den Kopf in den Sand und weiss mit dem ihm anvertrauten Geld nichts anzufangen. Kein Wunder, dass sein Herr wütend wird.

Mir scheint, das vergangene Jahr hat so manchen von uns zum verängstigten Diener werden lassen. Manche haben sich zurückgezogen und gehofft, dass alles bald vorbei sein würde und dass es ausreiche, erst einmal abzuwarten. Ob dies nun auf kirchenpolitischer Ebene, in der eigenen Pfarrei oder zu Hause im Privaten geschehen ist.

Doch Gott will von uns offenbar genau das Gegenteil: Vertrauen statt Angst, Nächstenliebe statt Egoismus, Aktivismus statt Passivität. Ein Diener, der seinen Dienst nicht tut – das ist keine Option im Reich Gottes. Gerade in schweren Zeiten, in denen wir uns eigentlich lieber verstecken wollten und auf bessere Zeiten hoffen, braucht es Engagement im Hier und Jetzt. So wird die Botschaft Jesu Christi lebendig. Wie sagte es Frère Roger: «Lebe das, was du vom Evangelium verstanden hast. Und wenn es noch so wenig ist. Aber lebe es.»

Wir müssen nicht gelähmt von Angst verharren, sondern dürfen gestaltend handeln, mit Phantasie und Kreativität müssen wir uns immer wieder auf neue Situationen einlassen, damit die Botschaft vom Reich Gottes nicht vergessen geht. Wir sind manchmal überfordert mit dem, was uns anvertraut wurde. Doch das Vertrauen auf unsere eigenen Fähigkeiten und der Mut zu handeln müssen immer grösser sein als unsere Angst.

Das Gleichnis von den anvertrauten Talenten
Text: Esther Stampfer, Pastoralassistentin Kath. Pfarrei St. Georg Küsnacht Erlenbach