Irak: Ein symbolischer Besuch

Bericht aus Jerusalem

Irak: Ein symbolischer Besuch

Als «Pilger des Friedens» ist Papst Franziskus in den Irak gereist und als solcher empfangen worden. 

Noch bevor Franziskus irakischen Boden wieder verliess, rief Ministerpräsident Mustafa al-Kasimi den 6. März als künftigen «Tag der Toleranz und Koexistenz» aus – als Tribut an das «historische Treffen» mit Schiitenführer Grossajatollah Ali al-Sistani an ebenjenem 6. März 2021. Es war die erste direkte Begegnung eines Papstes mit der wichtigsten Autorität des schiitischen Islams ausserhalb des Iran, mehr also als nur ein Höflichkeitsbesuch. Nach dem Treffen mit dem Grossimam der Kairoer Al-Azhar-Moschee, dem sunnitischen Scheich Mohammad Al-Tajjeb, werde das Treffen mit al-Sistani den Dialog mit der schiitischen Seite fördern, hatte der Führer der grössten christlichen Konfession im Irak, der chaldäische Patriarch Kardinal Louis Raphael I. Sako, zuvor gehofft und offenbar zu Recht: Schiitenvertreter kündigten bereits einen Besuch im Vatikan an.

In den Ruinen der antiken Stadt Ur sprach sich Franziskus zusammen mit irakischen Religionsführern für einen gemeinsamen Einsatz für Frieden aus. An «diesem gesegneten Ort», an dem «unser Vater Abraham lebte, scheint es uns, als würden wir nach Hause zurückkehren». In einem Land, das seit jeher von religiöser und ethnischer Vielfalt geprägt ist, sprach Franziskus von Einheit und rief dazu auf, gemeinsam und konkret Gutes zu tun. Es dürfe nicht sein, dass junge Menschen «ihre Träume von den Konflikten der Vergangenheit zerstört sehen». Feindseligkeit, Extremismus und Gewalt verurteilte der 84-Jährige als «Verrat an der Religion». Vor allem aber dürften Gläubige nicht schweigen, «wenn der Terrorismus die Religion missbraucht». 

Spuren des jahrelangen Terrors durch den «Islamischen Staat» sind vor allem in den nördlichen Landesteilen sichtbar. Inmitten der Trümmer von Mossul erklärte der Papst Geschwisterlichkeit stärker als Brudermord, Frieden stärker als Krieg. Er beklagte die seit Jahrzehnten schrumpfende Zahl der Christen und rief die verbliebenen Gläubigen an einer der Wiegen der Christenheit dazu auf, zusammenzuhalten und die eigenen Wurzeln nicht zu verlieren. 

Der Papst komme nicht, um alle Probleme des Irak zu lösen, hatte Patriarch Sako im Vorfeld vor allzu hohen Erwartungen gewarnt. Vielmehr komme Franziskus aus Solidarität mit den Irakern – mit allen Irakern. Diese Erwartung hat der Papst mit seiner Botschaft von Solidarität, Verständigung und Versöhnung sowie mit vielen symbolischen Gesten erfüllt. Zu Recht werteten Medien und Beobachter weltweit den Besuch als historisch. Für Vertreter der Nahost-Christen war sie ein Zeichen der Liebe und Heilung, für Vertreter anderer Religionen eine Einladung zum Dialog. 

Nun gilt es, Geduld zu bewahren, damit die Reise Früchte tragen kann. Zu behutsamem Realismus rief der frühere Papstbotschafter im Irak, Kardinal Fer-nando Filoni, auf, denn noch stehe das krisengeprägte Land «am Anfang einer neuen Mentalität». Der Besuch des Papstes, allen Sicherheitsrisiken und der Pandemie zum Trotz, kann dabei nicht mehr und nicht weniger als ein Anstoss sein für eine dringend benötigte politisch-religiöse nationale Versöhnung. Papst Franziskus stellte unterdessen bereits einen weiteren Besuch in der Krisenregion Nahost in Aussicht. Ziel soll der Libanon sein, ein Land, das dem Irak weder an Vielfalt noch an Zerrissenheit um viel nachsteht.

Text: Andrea Krogmann