Dynamisch

Glaubens-Perspektiven: Pfingsten

Dynamisch

Ich habe mir immer drei Kinder gewünscht. Einerseits wollte ich, dass die Kinder gegenüber den Eltern in der Mehrheit wären.

Andererseits sollten sie untereinander in wechselnden Koalitionen ihre Geschwisterliebe und Geschwisterkämpfe ausleben können. 

Natürlich sind die Beziehungen in allen Familienkonstellationen dynamisch, und das Familienleben hängt auch weniger von der Anzahl ihrer Mitglieder ab als vielmehr von der Art, wie sie ihre Beziehungen gestalten. Doch die Zahl drei hat mir immer gefallen. Sie steht für Beziehungen, die nicht aufeinander fixiert sind, sondern fliessen, sich verändern, sich binden und gleichzeitig frei lassen. Sind drei im Spiel, dann ist eines für Überraschungen gut, stösst eines neue Prozesse an. 

Deshalb mag ich die Geistkraft, die wir an Pfingsten feiern. Dank dieser Kraft der Liebe steht Gott selbst in Beziehung – und wir dürfen in sein Beziehungsgeschehen eintauchen: in den Kreislauf der gegenseitigen Hingabe von Vater, Sohn und Geist. So erleben wir ein zutiefst auf Beziehung angelegtes Gottes- und Menschenbild, das neue Dimensionen eröffnet. 

Meine Eltern haben sich einst von einem Gottesbild befreien müssen, in dem Gott ein strafender Richter war. Mir haben sie Gott als Liebe vorgestellt, womit ich aber auch an Grenzen gestossen bin. Weicht die Liebe nicht manchmal Problemen aus? Lässt sie sich nicht ausnützen, kann sie nicht Menschen, die sich ihr mit Haut und Haar verschreiben, ins Burnout oder in Abhängigkeiten führen? 

Gott ist grösser als unsere Gottesbilder. Und unsere Lebens- und Glaubenserfahrungen lassen uns ihn neu und tiefer verstehen. Ein Gott, in dem drei miteinander in Beziehung stehen, ist für mich und für die Fragen, die mich heute in Kirche und Gesellschaft beschäftigen, ein Licht und ein Hoffnungszeichen. Denn ein Gott, der dreifaltig ist, zeigt uns vor, dass wir die Beziehungen im Blick behalten sollen. Er hilft uns, Verschiedenheit wahr- und ernst zu nehmen. Eine solche dialogisch verstandene Liebe ist fähig, Neues zu schaffen, unerwartete Lösungen zu entdecken und auch nicht Lösbares auszuhalten. 

Dreifaltigkeit trägt zudem dazu bei, dass – auch in der Kirche – eine Gleichheit entsteht, die nicht zurechtstutzt und alles gleichförmig macht. Sie lässt die Identität jedes Einzelnen in seiner Würde, seiner Freiheit und seiner Gemeinschaft mit den anderen aufblühen. 

Papst Franziskus findet für unser Eintauchen in dieses dynamische dreifaltige Leben in seiner Schrift «Evangelii Gaudium» ein Bild: «Es ist wahr, dass dieses Vertrauen auf den Unsichtbaren in uns ein gewisses Schwindelgefühl hervorrufen kann: Es ist wie ein Eintauchen in ein Meer, wo wir nicht wissen, was auf uns zukommen wird.» Und weiter führt er aus: «Es gibt aber keine grös- sere Freiheit, als sich vom Heiligen Geist tragen zu lassen, darauf zu verzichten, alles berechnen und kontrollieren zu wollen, und zu erlauben, dass er uns erleuchtet, uns führt, uns Orientierung gibt und uns treibt, wohin er will. Er weiss gut, was zu jeder Zeit und in jedem Moment notwendig ist. Das heisst, in geheimnisvoller Weise fruchtbar sein!»     

Text: Beatrix Ledergerber