Argumente gegen das Frauenpriestertum – und was ich davon halte

Gott und die Welt

Argumente gegen das Frauenpriestertum – und was ich davon halte

Es ist schon einige Zeit her, da hielt ich das Priestertum der Frau für unnötig. Ich kenne deshalb die gängigen Argumente gegen die Priesterinnenweihe nur allzu gut. Heute überzeugt mich allerdings kein einziges dieser Argumente mehr. – Ein Kommentar von Thomas Binotto

Jesus hat keine Frauen als Jüngerinnen berufen.
Daraus ein Verbot des Frauenpriestertums abzuleiten, entbehrt jeder Logik. Jesus hat auch keine Römer berufen. Wer aus einer Unterlassung eine Ablehnung konstruiert, unterschiebt Jesus eine Haltung, die er gar nie vertreten hat. An keiner Stelle der Evangelien verbietet Jesus die Priesterinnenweihe. Und «Schweigen heisst ablehnen» ist bekanntlich kein geläufiges Sprichwort.

Es ist Gottes Wille.
Das scheinbar stärkste Argument ist in Wahrheit schwach und zudem äusserst gefährlich. Menschen und Institution, die Gottes Willen für ihr Handeln in Anspruch nehmen, erklären sich selbst zum Lautsprecher einer Stimme, die keinen Widerspruch duldet. Sie wollen uns weismachen, dass ausgerechnet sie den Willen Gottes eins zu eins wiedergeben. Sie wollen uns verstummen lassen und uns den eigenen Willen rauben. Deshalb sind jene, die behaupten, Gottes Willen zu tun, so wahnsinnig gefährlich: Sie machen sich selbst zum Götzen und werden zu Keimzellen des Missbrauchs.

Männer und Frauen haben unterschiedliche Charismen.
Meinetwegen. Das hält Frauen und Männer aber nicht davon ab, gleichberechtigt Eltern zu sein, gleichberechtigt zu lehren, gleichberechtigt zu handeln, gleichberechtigt zu leiten. Wer sich gegen Gleichmacherei einsetzen will, der soll es bitte konsequent tun: Kein Mensch ist gleich wie der andere. Jeder und jede hat sein und ihr eigenes Charisma.

Das Priesteramt ist ein rein dienendes Amt.
Das ist – mit Verlaub – entweder verlogen oder ignorant. Solange die römisch-katholische Kirche alle entscheidenden Leitungsfunktionen an die Priesterweihe knüpft, ist das Priesteramt natürlich mit Macht verknüpft. Wäre dieses Argument ehrlich, würde die Kirche sofort alle Ämter öffnen, die nicht direkt mit einer Weihe verknüpft sind. – Das tut sie aber nicht! – Weshalb wohl nicht? – Weil es um Macht geht! – Dieser Wille zur Macht ist es auch, der das Frauenpriestertum verhindert, nicht der Wille von Jesus Christus.

Das muss die Weltkirche entscheiden.
Die katholische Kirche gibt sich gerne universell. Faktisch lässt sie jedoch permanent Sonderlösungen zu. Sie weiht beispielsweise verheiratete Männer in der Ostkirche, und sie macht verheiratete anglikanische Priester nach der Konversion zu katholischen Priestern. Tatsächlich tickt die katholische Kirche auf jedem Kontinent und in jedem Land etwas anders. Sie könnte deshalb auch beim Frauenpriestertum regionale Wege gehen – wenn sie denn wollte.

Ich habe dem Papst Loyalität geschworen.
Seit wann verlangt Loyalität den Verzicht auf eine eigene Haltung? Niemand erwartet von Bischöfen, dass sie selbstherrlich Frauen weihen. Aber sie könnten offen hinstehen und klipp und klar sagen: «Ich möchte Frauen weihen können. Und ich werde mich dafür einsetzen, dass dies in der katholischen Kirche möglich wird.» – Würden dies hunderte von Bischöfen in aller Klarheit tun, dann würde sich etwas verändern, selbst wenn sie einen Alleingang ausschliessen.

Die Einführung des Frauenpriestertums führt zur Kirchenspaltung.
Wenn es um die Erneuerung der katholischen Kirche geht, wehrt sich eine traditionalistische Minderheit lautstark gegen die Anerkennung kirchlicher Schuld, gegen ökumenische Öffnung und eben auch gegen das Frauenpriestertum. Diese Minderheit macht den Bischöfen eine Heidenangst. In dieser Angst weisen sie dann darauf hin, dass der Hirt kein Schäfchen verloren geben darf und man sich deshalb selbst um die bereits abgefallenen Piusbrüder fürsorglichst bemühen muss. Das klingt wunderbar pastoral. Nur: Die Bischöfe verlieren dauernd und rasant noch viel mehr Schäfchen. Schäfchen, die davonlaufen, weil sie sich von ihrem Hirten verlassen fühlen und nicht mehr an eine Erneuerung glauben. Weshalb werden unsere Bischöfe beim Verlust dieser Schäfchen nicht von Gottesfurcht gepackt?

Die Kirche geht unter, wenn wir Frauen weihen.
Es gab vor 50 Jahren in der Schweiz Männer und Frauen, die den Untergang der schweizerischen Demokratie befürchteten, sollten Frauen stimm- und wahlberechtigt werden. Der Untergang ist ausgeblieben – und auch die Kirche wird nicht untergehen, sollten Frauen geweiht werden. Sie wird dadurch allerdings genauso wenig gerettet. Frauen haben das Zeug, das Priesteramt ebenso überzeugend und ebenso verheerend auszuüben, wie es Männer seit Jahrhunderten tun. Gleichberechtigung ist nicht an Sonderleistungen geknüpft. Sie ist schlicht und einfach eine Frage der Gerechtigkeit.

Es gibt wichtigere Probleme als das Frauenpriestertum.
Es ist eine Lebensrealität, dass wir uns dauernd um mehrere Probleme gleichzeitig kümmern müssen. Es geht aber nicht darum, zwischen dem Kampf gegen Diskriminierung, dem Kampf gegen Umweltzerstörung und dem Kampf gegen Hunger zu wählen. Wir müssen uns all diesen Herausforderungen gleichermassen stellen. Jesus hätte jeden einzelnen Bittsteller und jede einzelne Bittstellerin mit dem Hinweis «Es gibt wichtigere Probleme als dein Problem» abwimmeln können. Hat er aber – man merke – nie getan.

Frauen machen das Priestersein kompliziert.
Zugegeben, dieses Argument wird selten so offen vorgebracht. Dennoch entsteht der Eindruck, das Frauenpriestertum werde auch deshalb verhindert, weil man den Klerus männlich halten will, weil Männer gerne unter Männern bleiben möchten. Noch immer werden Priesteramtskandidaten von einem vertrauensvollen, partnerschaftlichen Umgang mit Frauen ferngehalten. Noch immer werden Priester schief angeschaut, weil sie es «mit den Frauen zu gut können». Die Angst vor «dem Weib» geht immer noch um.

Die Zeit ist noch nicht reif
Vor 2000 Jahren war die Zeit offenkundig auch nicht für Jesus Christus reif. Sie war es nicht für Franz von Assisi und nicht für Martin Luther. Sie war es nicht für Maria Ward und nicht für Madeleine Delbrêl. Die Zeit ist nie reif. Die Frage ist: Sind die Menschen reif? Und zumindest in unserem Kulturraum liegt die Antwort offen auf der Hand: Ja, sie sind es. Sie sind sogar überreif. Meine vier erwachsenen, katholisch vorbildlich sozialisierten Kinder würden höchstens mit der Achsel zucken, wenn ihre Kirche Frauen zu Priesterinnen weihen würde. Für sie wäre das dermassen überfällig, dass sie darüber nicht einmal mehr jubeln könnten. Wenn sich Kirchenmenschen vorsichtig zum Frauenpriestertum äussern, glauben sie, den Kopf ganz schön mutig aus dem Fenster zu halten. Ich frage mich, ob sie das Fenster bereits geöffnet haben.

Ich bin für das Frauenpriestertum, wenn Rom dafür ist.
Das ist keine Haltung. Das ist eine Ausrede.

Text: Thomas Binotto