Diskriminierung von Frauen als globales Thema

Welt der Religionen

Diskriminierung von Frauen als globales Thema

Seit wir über das Verhüllungsverbot in der Schweiz abgestimmt haben, sind einige Wochen vergangen. Es war für mich, wie für viele andere in meinem Umfeld, eine aufwühlende und kräftezehrende Zeit. 

Wieder haben Vor-Annahmen über «die» muslimische Frau mediale und gesellschaftliche Diskurse besetzt: Ist «die» muslimische Frau selbstbestimmt? Ist sie unterdrückt? Muss sie gerettet werden?

Die Diskurse erinnern an die Kolonialgeschichte. Damals wurden unter dem Deckmantel der Rettung «der braunen Frau» vor «dem braunen Mann» Länder des globalen Südens ausgebeutet. Die Darstellung von Frauen als Opfer patriarchaler Gewalt lieferte dabei eine der Legitimationen, um die Herrschaft über die kolonialen Subjekte zu stärken. Heute werden sie gebraucht, um die eigene politische Agenda voranzubringen. Spätestens nach den Anschlägen von 9/11 gewann diese Rhetorik an Aktualität, als die Frage der Frauenrechte ein zentrales Instrument zur Stigmatisierung muslimisch gelesener Menschen wurde. Der Körper der muslimischen Frau hat sich so regelrecht zum politischen Spielplatz entwickelt. 

Das spüre ich in meinem Alltag: wenn mir gesagt wird, ich sei ein Beispiel gelungener Integration – so ganz ohne Tuch auf dem Kopf. Mein Bruder wird stattdessen gefragt, ob er seine Frau später einmal zwingen würde, ein Kopftuch zu tragen. «Der» muslimische Mann ist also für diesen asymmetrischen Diskurs genauso wichtig. Der Unterdrücker, der Gewalttätige, der sexuell Rückständige wird heute als Bedrohung für eine wichtige Säule westlicher Gesellschaften markiert – für die Gleichberechtigung. Sexismus wird als etwas konstruiert, das der muslimischen DNA inhärent sei, so als wäre Sexismus ausschliesslich ein muslimisches Problem. Auch dies zeigt sich im Alltag, wenn beispielsweise muslimisch gelesene Männer im Einbürgerungsgespräch gefragt werden, ob sie finden, dass Frauen dieselben Möglichkeiten offenstehen sollten wie Männern in unserer Gesellschaft. Neugierig wäre ich zu erfahren, inwieweit die Gegenfrage zulässig wäre: Müsste nicht das System reformiert werden, das muslimischen Frauen aufgrund ihres Namens, Aussehens oder des Tuches auf dem Kopf den Zugang zum Arbeitsmarkt erschwert? Die Diskriminierung von Frauen sollte als globales Problem verstanden und als solches behandelt werden – das Abschieben der Problematik auf Minderheiten ist kontraproduktiv, wenn wir als Gesellschaft weiterkommen wollen. 

Mir bereiten diese Tendenzen auch aus einem anderen Grund Sorge. Sie erschweren es mir, in nicht muslimischen Kreisen in jenen Punkten Kritik an meiner eigenen Religionsgemeinschaft auszuüben, wo für mich Kritik angebracht wäre. Denn ich bin überhaupt nicht der Meinung, dass es keine Herausforderungen gibt in unseren innermuslimischen Geschlechterdiskursen. Genau wie auch Frauen anderer Religionszugehörigkeit bin ich sehr wohl der Meinung, dass es Änderungen braucht, was beispielsweise die Position von Frauen in der Moschee angeht. Die Aussenwahrnehmung zu dieser Thematik wird aber so stark anhand klischierter und verzerrter Bilder bestimmt, dass ich mich häufig dabei erwische, wie ich bestimmte Themen nicht anspreche: einfach weil ich das Gefühl habe, dies könnte dann für die Zementierung bestehender Vorurteile missbraucht werden. Als Gesellschaft müssen wir uns fragen, was das für Minderheiten bedeutet, sich unter diesen Voraussetzungen weiterzuentwickeln. 

Text: Zeinab Ahmadi