Küss den Froschkönig!

Leben in Beziehung

Küss den Froschkönig!

Zu diesem Geburtstag gibt es erstmals keine Wünsche mehr für den perfekten Mann an meiner Seite, der dieses Jahr nun doch endlich auftauchen solle.

Stattdessen weicht man auf Märchen aus: Zum 50sten wird mir ein grasgrüner Froschkönig geschenkt, der das Gesicht zu mir hochreckt und die Lippen spitzt! Selbstverständlich wird er geküsst – in gebotener Kürze. Die Runde kichert – und schwups! Da steht er vor mir, der wundersame Prinz; elegant, geschmeidig und mit dem schönsten maskulinen Lächeln, das frau sich vorstellen kann. Und er ist um die 30. Gut. Nicht einmal die Märchen funktionieren ausnahmslos …

Da fragt frau sich: Ist es denn mit 50 überhaupt (noch) nötig, die Liebe des Lebens zu finden? Oder: Vermisse ich einen Hund an meiner Seite nicht mehr als einen Mann? Nichts gegen die Männerwelt! 

Und, passt denn ein Mann überhaupt noch in die Alltagswelt, wenn frau 12–14 Stunden täglich von Berufes wegen abwesend ist? So etwas akzeptiert alleine die Damenwelt. 

Ist frau denn nicht eh schon abgeschrieben? Ungebundene seriöse Herren um die 50 zeigen gerne Interesse für zehn Jahre jüngere Damen. Vielleicht will er – im letzten Moment – ja doch noch eine Familie gründen ... 

Schliesslich die letzte sensible Frage, die mir beim Anblick des Froschkönigs durch den Kopf schiesst: Passt ein «heutiger» Mann in die Welt einer «katholischen» Theologin? Hier zeigt sich Comedy-Stoff vom Feinsten! Hört der interessierte Mann von ihrem Beruf, wird er vom Schock ergriffen, um kurz darauf auf dem Absatz kehrtzumachen. Ewige Bindung ab Tag eins, Harmoniesucht und höchste moralische Standards über die Heirat hinaus entstehen intuitiv vor seinem inneren Auge. All das jagt dem postmodernen Mann eine Heidenangst ein. Er ergreift verstört die Flucht, mit gesenktem Blick und dem kaum hörbaren Satz auf den Lippen: «Ich bin ausgetreten.» «Danke für das Kennenlernen, die Diskussion und den Realitätscheck», denkt sich frau da jeweils im Stillen. Nun. Die Kirche weiss gar nicht, was die Theologin ihr so alles opfert – auch ohne Amt und Würden.

Eigentlich bin ich doch ganz zufrieden mit meinem Leben. Ausser, ja, Hund und Katz fehlen, und alleine alt zu werden, ist nichts Schönes. Deshalb wäre frau letztlich wohl doch für das Märchen im echten Leben zu haben: Wer will nicht bis ins hohe Alter hinein an die eine grosse Liebe glauben? 

In der Zwischenzeit verdient der kleine Froschkönig einen anständigen Platz als Stilikone. Der kann nämlich nicht so mir nichts, dir nichts im weiten Bogen davon- hüpfen. Und niedlich ist er auch. Besser also den Froschkönig auf dem Nachttisch als die Taube auf dem Dach – nicht wahr?

Text: Tatjana Disteli