Mitgefühl und innere Stärke

Mitgefühl und innere Stärke

«Wie kann ich mitfühlend sein und gleichzeitig innerlich stark und leistungsfähig bleiben?» Dieser Frage geht das Tibet-Institut in Rikon nach. 

Unser Tibet-Institut ist ein Kloster und gleichzeitig ein Bildungsort, wo wir den Buddhismus sowie tibetische Werte und Normen und unsere Sprache an Interessierte weitergeben. Das Mitgefühl stellt im Buddhismus eine Kernkompetenz dar. Mitfühlend sein zu können, ist in unserem Alltag jedoch oft herausfordernd. Vor allem dann, wenn wir streng sind zu uns selbst oder wir uns von den Mitmenschen unverstanden fühlen. Hier ist Selbstmitgefühl und Mitgefühl für andere gefragt, um gelassen bleiben zu können. Mit vier bis fünf ganztägigen Buddhismusworkshops für Kinder und Jugendliche vermitteln wir deshalb auf sehr einfache und verständliche Weise, wie dies im Alltag gelingen kann.

Diese Workshopreihe zu «Mitgefühl und innere Stärke» beginnt mit einem buddhistischen Gebet und Niederwerfungen vor dem Sitz des Dalai Lama. Danach folgt ein säkularer Teil zu sozial-emotionalem und ethischem Lernen (SEEL). Hier lernen die Teilnehmenden, wie sie erkennen können, ob sie sich in einer emotional belastenden Situation befinden, und wie sie sich in solchen Momenten mit Aufmerksamkeitsübungen beruhigen können. Sie lernen, dass Mitgefühl zunächst heisst, ihre eigene Befindlichkeit gut zu beobachten und zu verstehen, so dass sie belastende Gefühle und Empfindungen selbst regulieren und sich beruhigen können. Gleichzeitig erkennen sie, dass sie sich mit dem gleichen Wissen einfacher in andere einfühlen und unterstützend sein können. 

Ein Highlight ist jeweils das gemeinsame Mittagessen, welches von den Eltern, Lehrpersonen und Schulleitungen zubereitet wird. Am Nachmittag setzen sich die Teilnehmenden zum gleichen Thema aus buddhistischer Sicht auseinander. In kleineren Lerngruppen werden drei Aspekte von Mitgefühl vertieft:  Legende (Mythos), Gebet (Ritus), Erklärung zu mitfühlendem und grosszügigem Verhalten aus dem achtteiligen Pfad des Buddhismus (Ethos). Parallel zum Workshop mit den Kindern und Jugendlichen werden die Workshopinhalte interessierten Eltern, Lehrpersonen und Schulleitungen erklärt und offene Fragen diskutiert. Nach einem einfachen Zvieri erklären die Kinder und Jugendlichen den Erwachsenen, was sie alles aus diesem Workshop mitnehmen, und geben ihnen die Möglichkeit, Verständnisfragen zu stellen.

SEEL ist ein von Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama initiiertes und von der Emory-Universität entwickeltes religions-unabhängiges Bildungsprogramm zur Stärkung der sozialen, emotionalen und ethischen Kompetenzen. Kinder, Jugendliche und Erwachsene lernen hier, respektvoll mit sich selbst und mit anderen umzugehen. Vielleicht fragen Sie sich jetzt, was diese Inhalte mit Buddhismus gemeinsam haben. Sehr viel, denn die Grundlage für SEEL bilden die grundlegenden menschlichen Bedürfnisse und diese sind universell – unabhängig von Religion, Geschlecht, Nationalität etc. Stärken wir unsere sozial-emotionalen  und ethischen Fähigkeiten, werden wir fitter für das Leben in einer zunehmend transnationalisierten Welt mit Herausforderungen, die wir global angehen müssen.

Text: Karma Dolma Lobsang