Schönheit der Vergänglichkeit

Glaubens-Perspektiven

Schönheit der Vergänglichkeit

Der Herbst, das ist die mir liebste Jahreszeit. Obwohl ich tatsächlich jede Jahreszeit – und besonders den Jahreszeitenwechsel – sehr mag, übt doch der Herbstwald einen besonderen Zauber auf mich aus. 

Diese Mischung aus den bunten Farben des Herbstlaubes, dem erdigen Geruch nach Waldboden und Pilzen zusammen mit einer gewissen Melancholie der Vergänglichkeit berührt mich jedes Jahr von Neuem.

Im Herbst, wenn die Blätter von den Bäumen fallen, wird die Welt weiter und lichter. Nach den vergangenen heissen Sommertagen ist es, als könne man endlich wieder einmal richtig durch-atmen und «einfach sein». 

Der Herbst ist auch schön, weil wir als Familie gerne nach draussen gehen, einen Spaziergang oder eine kleine Wanderung unternehmen. Dabei ist es ein anderes Draussen-Sein als im Sommer, in dem es der Garten oder der kühle See sind, wo wir uns gerne aufhalten.

Wenn wir als Familie zusammen durch den Herbstwald streifen, gibt es meistens irgendwann eine grössere Pause, in der wir schon oft begonnen haben, mit Naturmaterialien ein Bild zu legen. In der Vergangenheit sind so schon ganze Mandalas entstanden. Es ist wie eine Meditation, wenn alle umherstreifen und nach den passenden Materialien suchen, die sich Stück für Stück zu einem Bild zusammensetzen, und so aus abgestorbenem Material ein lebendiges Bild entsteht. Die Kinder finden bei ihrer Suche die wunderlichsten Dinge: lustig geformte Tannenzapfen, herzförmige Kieselsteine oder Liegengelassenes anderer Wanderer. Nicht alles findet dabei den Weg in unser Naturbild. Auch die Hosentaschen und Rucksäcke der Kinder fördern zu Hause das eine oder andere wieder zu Tage. 

Wenn die Wanderungen entlang der letzten noch stehenden Maisfelder geht, die Zuckerrüben in grossen Haufen auf den Feldern liegen, dann sind die meisten Scheunen voll und Erntedank ist bereits gefeiert.

Dass sich dieser pralle Erfolg nicht endlos fortsetzt – auch das zeigt der Herbst. Denn der Herbst ist nicht nur eine farbenfrohe und leichte Jahreszeit. Die kürzer werdenden Tage, der häufige Nebel und die sichtbar werdende Vergänglichkeit verbreiten auch eine gewisse Schwermut. Besonders auch in diesem Jahr, in dem meine Mutter, die Grossmutter meiner Kinder, gestorben ist. Tod und Vergänglichkeit sind im Herbst ein Thema, das in der Natur sichtbar wird. In diesem Jahr versuche ich, die Vergänglichkeit in einen neuen Rahmen zu setzen und neu oder anders zu deuten. Denn die in der Natur sichtbare Vergänglichkeit ist Teil einer grossen Verwandlung. Sie ist Teil eines Kreislaufs von Leben und Tod, von Vergänglichkeit und Ewigkeit. Spätestens nach einem klirrenden und kargen Winter wird es wieder Frühling und spriesst das Leben in voller Pracht. 

Doch bevor wir bereits an den Winter und einen noch fernen Frühling denken, geniessen wir vorerst den Herbst mit seinen Farben, Gerüchen und seiner ganzen Pracht. Zuerst einmal streifen wir mit den Kindern durch die Wälder und tanzen im Blättermeer. 

Text: Daniel Ritter