Erfrischend, divers und  politisch korrekt

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Erfrischend, divers und politisch korrekt

Albina Muhtari macht ihr eigenes Online-Magazin: Baba News heisst es. Menschen mit ihrem jeweiligen kulturellen Hintergrund gestalten dort den gesellschaftlichen Diskurs mit. 

«Die Muslime», «die Ausländer», «die Flüchtlinge», «die Kopftuchträgerinnen»: Wer diesen Schlagwörtern begegnet, erwartet oft nichts Gutes, ist Albina Muhtari überzeugt. «Beim Wort Islam kommt oft ein Unbehagen auf, und vor dem inneren Auge entstehen negative Bilder.» Die Journalistin ist mit ihrer Wahrnehmung, dass die Berichterstattung über den Islam hierzulande negativ gefärbt ist, nicht allein. -Viele, besonders junge Musliminnen und Muslime, teilen den Eindruck. Eine aktuelle Untersuchung des Forschungsinstituts Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich kommt zu einem ähnlichen Schluss: Musliminnen und Muslime werden in den Medien häufig problematisiert.
 

Ganz normale Menschen

Deshalb lancierte Albina Muhtari vor drei Jahren ihr eigenes Medium: Baba News, das Online--Magazin für Schweizerinnen und Schweizer «mit Wurzeln von überall». Im Ein-Raum-Büro an der Grenze zwischen Bern und Ostermundigen sucht das mittlerweile dreiköpfige Team relevante Themen, entwickelt Ideen, führt Gespräche mit unterschiedlichsten Protagonistinnen, schreibt Artikel, produziert Videos und erreicht damit 18 000 Followers. 

Sie wollen facettenreiche Lebenswelten «von ganz normalen Menschen aus dem Alltag» zugänglich machen. «Wir geben jenen -eine Stimme, über die  sonst gesprochen oder geschrieben wird», betont Muhtari. Ein Crowdfunding stellt die Finanzierung von 150  Stellenprozenten für die Dauer eines Jahres sicher. Auf dem Portal berichten Secondos und Secondas über Vorurteile, denen sie begegnen, und sie beschreiben, was das mit ihnen macht. Oder Musliminnen erklären, warum sie sich für das Kopftuch entschieden haben und welche Reaktionen das in ihrem Umfeld auslöst. 

Muhtari und ihre Mitstreiterinnen scheuen sich nicht, auch heikle Themen aufzugreifen und sie kontrovers zu diskutieren. «Wir berichten aus dem Innern einer multikulturellen Community», sagt die Schweizerin mit muslimischem Hintergrund. Auch wenn etwa die Hälfte ihrer Followers keine Migrationsgeschichte haben. Für die andere Hälfte bietet das Magazin viel Raum für Identifikation. Entsprechend positiv sind die Rückmeldungen: «Ich fühle mich verstanden», «Endlich bringt es mal jemand auf den Punkt» oder «Es ist schön, nicht mehr allein zu sein» wird gepostet. «Wir bieten vielen ein mediales Zuhause. Das hat bisher gefehlt», sagt Muhtari. 
 

Diskurs abbilden

Trotz allem will die Redaktion von Baba News auch der eigenen Community gegenüber kritisch sein. Dazu gehört, keine verharmlosenden Diskurse zu reproduzieren und sich nicht vor kontroversen Themen zu scheuen. «Auch innerhalb der Community gibt es unterschiedliche Ansichten. Das wollen wir abbilden», findet Muhtari. So habe etwa kürzlich ein Video zum Thema Islam und Transsexualität in kurzer Zeit 1550 Likes bekommen. Gleichzeitig habe es auch sehr kritische Reaktionen gegeben. «Das nehmen wir in Kauf», stellt sie fest.

Die 34-jährige Journalistin erinnert sich an ihre Zeit als Community-Redaktorin beim Redaktionsnetzwerk Tamedia. Als es um die Coming-Out-Geschichte eines homosexuellen Mannes mit muslimischem Hintergrund ging, war man sich in der Redaktion uneinig, wie der Artikel in den sozialen Medien veröffentlicht werden sollte. «Der Social-Media-Post war der zuständigen Autorin zu wenig provokativ», so Muhtari. Ohne das Stichwort Islam generiere der Post zu wenig Klicks, habe diese befürchtet. 

Tatsächlich sei danach der Beitrag vielfach geteilt worden, nur dass es nicht primär um den Protagonisten und seine Erfahrungen gegangen sei, sondern um den vermeintlich «rückständigen Islam», der es Homosexuellen besonders schwer mache. «Manchmal kommt es mir vor», fährt Muhtari fort, «als ob Journalisten und Journalistinnen befürchteten, nicht genügend kritisch zu sein, wenn sie in neutralem Ton über Muslime schreiben.» 
 

Baba: Vater und Mutter

Baba News heisst das Portal, weil «Baba» im arabisch-türkischen Sprachraum «Vater» und im slawischen «Mutter» oder «Grossmutter» bedeutet, erklärt Albina Muhtari. «Mit diesem Begriff sind beide Geschlechter gemeint. Und er macht deutlich, dass wir, die Redaktorinnen und die User, uns auch mit unseren Wurzeln befassen.» Political Correctness ist den Macherinnen von Baba News wichtig. Während viele junge Leute politisch korrekte Ausdrucksweisen verinnerlicht hätten, sei dies bei der älteren Generation manchmal weniger der Fall, so Muhtari. Selbst sieht sie sich irgendwo dazwischen. «Ich  musste mich auch schon selbst korrigieren und lerne mit meinen jüngeren Kolleginnen immer wieder dazu», sagt sie lachend. 


Multikulturelle Zukunft

Albina Muhtari hofft, dass auch konventionelle Medienhäuser zunehmend den Menschen mit Migrationshintergrund – immerhin sind das fast 40 Prozent der Bevölkerung in der Schweiz – gerecht werden. Die Redaktionen sollten diverser werden, auf allen Hierarchieebenen, meint sie. «So finden unterschiedlichste Erfahrungswelten und Geschichten von selbst Eingang in die Berichterstattung, und die Gesellschaft wird realitätsnaher abgebildet.» 

Text: Zeinab Ahmadi, zVisite-Redaktion