Das Modell der Zukunft

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Das Modell der Zukunft

Der Trend geht klar in Richtung Vereinbarkeit von Teilzeitarbeit und Karriere. Das sagt Katia Rost, Soziologieprofessorin an der Universität Zürich.

Immer mehr Menschen möchten Teilzeit arbeiten, aber trotzdem Karriere machen. 

Genau. Die Lebenspläne haben sich geändert. Wir haben nicht mehr nur Frauen und inzwischen immer mehr Männer, die Familienzeit und Karriere verbinden wollen. Wir haben auch Leute mit Hobbys, für die sie einen Tag frei nehmen, oder solche, die teilweise selbständig sein möchten, oder die Zeit für zu pflegende Angehörige haben wollen. Teilzeitführung ist klar das Modell der Zukunft.

Teilzeitführung ist also ein Bedürfnis der Mitarbeitenden. Aber lohnt es sich auch für die Firma?

Unsere Untersuchungen zeigen, dass Co-Leitungen dann gut funktionieren und die Firma auch davon profitiert, wenn sich zwei Personen, die sich bereits vorher kennen, gemeinsam für eine Führungsposition bewerben. Allerdings ist es besser, nicht einfach eine 100-Prozent-Stelle zu je 50 Prozent aufzuteilen, sondern beiden mehr Prozente zu geben, damit Zeit für Absprachen drin liegt. Das lohnt sich trotzdem, denn die Führungsqualität steigt, wenn zwei sie zusammen wahrnehmen und nicht einsame Entscheide gefällt werden. Und Co-Leitungen erhöhen ganz klar den Anteil von Frauen in Führungspositionen, ganz ohne Quoten. 

Warum gibt es dann nicht mehr Co-Leitungen?

Firmen haben damit oft Mühe. Das nächsthöhere Kader sagt, es gebe keine klaren Ansprechpartner und niemand fühle sich schlussendlich verantwortlich. Das ist allerdings oft mehr eine Barriere in den Köpfen, vor allem, wenn man die Teilzeit-Leitung ausschliesst, bevor man damit Erfahrungen gemacht hat. Und es lässt sich ja lösen, indem man zu Beginn in einem klaren Konzept die Zuständigkeiten festhält.

Wo liegt dann das Problem?

Wenn z.  B. Frauen nur für eine gewisse Zeit, solange die Kinder klein sind, Teilzeit leiten möchten und später wieder zu 100 Prozent. Es ist schwierig und kostspielig, deren Stellen über längere Zeit offen zu halten. Und hat zur Folge, dass der Job, der in dieser Zeit befristet ausgeschrieben ist, anderen Frauen die Karrierechancen vermindert. 

Also wird sich Teilzeit-Leitung nicht durchsetzen?

Doch, denn die Gesellschaft entwickelt sich in diese Richtung. Die Firmen müssen nachziehen, wollen sie Talente behalten. Es gibt nicht nur das Co-Leitungs-Modell mit zwei Führungspersonen. Ich nenne es das «Polyklinik-Modell». Es gibt einen Pool von Führungspersonen, die in wechselnden Pensen Teilzeit arbeiten. In den Spitälern sind die Frauen in Kaderpositionen sofort wieder weg, weil sie es nicht mit der Familie vereinbaren können. In der Polyklinik, wo mehrere Ärztinnen und Ärzte mit gleicher Kompetenz zusammenarbeiten, bleiben die Frauen. 

Also weniger Co-Leitungen und mehr Führungskräfte in Teilzeit? 

Co-Leitungen dann, wenn man sich gemeinsam bewirbt. Und für alle anderen wird sich ein Fast-Vollzeit-Modell durchsetzen. Denn es ist ein Problem der Schweiz, dass alle sehr lange arbeiten. Was bei uns 80 Prozent sind, entspricht 100 Prozent in Österreich oder Deutschland. Dort lassen sich demzufolge auch viel besser 100-Prozent-Jobs mit der Familie vereinbaren. 

Da hat man aber doch nur 80 Prozent Lohn und arbeitet weiterhin 100 Prozent. 

Nein, das boomt, weil die Leute damit die Legitimation gegenüber der Organisation haben, mal einen Nachmittag frei zu nehmen oder eine Stunde früher zu gehen, um die Kinder abzuholen. Die Leute wollen und brauchen diesen Freiraum, und die Karriere-Optionen bleiben damit dieselben. Das wird heute nicht mehr nur von Frauen, sondern je länger je mehr auch von Männern gesucht. 

Text: Beatrix Ledergerber