Ein Sultan im Domschatz?

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Ein Sultan im Domschatz?

Eine seidene Reliquienhülle (14. Jahrhundert) ist heute Teil eines eindrücklichen Messgewandes, einer sogenannten Kasel. Seit dem 13. Jahrhundert ist die Kasel ein Obergewand für katholische Priester

Mittelalterliche Messgewänder gehören zu den sogenannten Paramenten. Paramente sind Textilien, die als Gebrauchs- oder Ziergegenstände im katholischen Gottesdienst und in der Ausstattung von Kirchen verwendet werden. Der Stoff der Churer Kasel zeigt einen Dekor aus horizontal verlaufenden Bändern, auf denen abwechslungsweise arabische Schriftzeichen oder geometrische Motive und Tiergestalten dargestellt sind. Nach neusten Erkenntnissen wurde das Gewebe nicht in Ägypten, sondern im 14. Jahrhundert in Italien hergestellt. Daher sind auch nur Teile der arabischen Schrift lesbar. Die Inschrift besteht aus drei Worten. Die ersten beiden heissen übersetzt «der Sultan, der König». Die Buchstabenfolge des dritten Wortes ergibt keinen Sinn.

Etwa um 1500 verwendete man den Stoff für ein Messgewand. Sowohl die Vorder- als auch die Rückseite des Messgewandes verzierte man mit je einem Kaselstab, einem breiten Stoffband, das Figuren in qualitätvoller Reliefstickerei zeigt. Auf dem Kaselstab der Rückseite steht in der Mitte Maria mit dem Jesuskind im Arm auf einer umgekehrten Mondsichel. Über Maria schwebt Gott Vater mit der Taube des Heiligen Geistes. Unterhalb von Maria öffnet sich das Höllenreich. Der schmalere Stab der Vorderseite zeigt vier Heilige unter Baldachinen; zuoberst den früheren Bistumspatron Florinus mit dem Kelch.

Text: Anna Barbara Müller, Kuratorin Domschatzmuseum