Kleines Land, grosse Herausforderungen

Bericht aus Zypern

Kleines Land, grosse Herausforderungen

Vom 2. bis 4. Dezember besucht Papst Franziskus Zypern. Neben der Ökumene wird Migration ein Thema sein, dem das päpstliche Augenmerk während des kurzen Besuchs gilt. 

Historisch gesehen gehört der geteilte Inselstaat an der südöstlichsten Aussengrenze der EU zum Heiligen Land. Es ist eine lange Geschichte: Mit der letzten Niederlage der Kreuzfahrer 1291 bei der Stadt Akko flohen die Franziskaner nach Zypern. Der Auftrag der Franziskaner als Hüter der katholischen heiligen Stätten im Heiligen Land umfasst von daher bis heute immer noch Zypern – neben Israel, Palästina, Jordanien, Syrien, Libanon und Ägypten. 

Im Jahr 1847 wurde das Lateinische Patriarchat von Jerusalem wiederbelebt und seither fällt der Inselstaat in dessen Jurisdiktion. Amtsinhaber Erzbischof Pierbattista Pizzaballa betonte schon 2010, damals noch als Franziskanerkustos, beim historischen Erstbesuch eines Papstes auf der Mittelmeerinsel – Benedikt XVI. –, dass Zypern eine Brücke in den Nahen Osten darstelle. «Viele typisch nahöstliche Aspekte» vereine das Land, sagte er damals, «wenn die Probleme auch weniger ausgeprägt sind als in anderen Ländern». 

Die Probleme Zyperns sind in den elf Jahren seit dem ersten Papstbesuch nicht kleiner geworden, im Gegenteil. Längst ist das Land Anlaufstelle für viele Geflüchtete geworden. Täglich kommen mehr Menschen, vor allem aus dem Nahen Osten, aber auch aus Südasien und Afrika, mit ihrer Sehnsucht, in Zypern diese Brücke nach Europa zu finden, zu einem besseren Platz in der Welt. 

Der Besuch von Papst Franziskus sei eine «Gelegenheit zur Begegnung mit der Realität des Nahen Ostens», beschrieb Pizzaballa, diesmal als Patriarch, in einem Brief an die Gläubigen seines Bistums jüngst das Ziel der päpstlichen Reise. Er spricht von einer Realität, die «das Drama von Familien in den Mittelmeerraum und nach Zypern spült, die vor Krieg, Armut, Machtkämpfen und religiösem Sektierertum Zuflucht suchen». So viele Flüchtlinge nimmt Zypern auf wie kein zweites Land in Europa. Allein im vergangenen Jahr gingen dort knapp neunmal mehr Asyl-Erstanträge ein als im europäischen Durchschnitt. 

Die politische Situation auf der Insel erleichtert Menschenschmugglern das Handwerk. Seit dem gescheiterten griechischen Putsch, dem türkischen Einmarsch und der Teilung der Insel 1974 verläuft die sogenannte Grüne Linie, eine von UN-Soldaten bewachte Pufferzone, quer über die Insel und durch die Hauptstadt Nikosia. 

Auch von dieser Realität wird sich Papst Franziskus bei seinem Besuch aus nächster Nähe ein Bild machen können. Ein Blick aus dem Fenster seines Zimmers in der vatikanischen Botschaft genügt. Die Nuntiatur, die Pfarrkirche der lateinischen Kirche, die maronitische Kathedrale und das Franziskanerkloster: Sie alle liegen unmittelbar an der markierten Linie mit betongefüllten Fässern, Stacheldraht und viel Militär, die die Republik Zypern im Süden von der international nicht an-erkannten Türkischen Republik Nordzypern trennt. Im wahrsten Sinne des Wortes und in mehrfacher Hinsicht also geht Franziskus mit seinem Zypern-besuch «an die Ränder».

Text: Andrea Krogmann