Your Highestness!

Narrenschiff

Your Highestness!

Entdeckt die Schweiz nach über 700 Jahren «Läck-mer-Gessler» gerade ihre Liebe zur Monarchie? 

Ausgerechnet sie, die Erfinderin des Rasenmäher-Prinzips. Das Land, in dem alles zurechtgestutzt wird, was über den grünen Klee hinauswächst. Eine Nation, in der Kompromisse als Heilsversprechen bejubelt werden. Eine Republik, die sogar ihrem King Roger schon mal einen Töfflibueb vor die Nase gesetzt hat.

Am 29. November wurde Irène Kälin zur Präsidentin des Nationalrats gewählt. In den Schlagzeilen wird ihr nunmehr als «höchster Schweizerin» gehuldigt. Wenn man das Organigramm der Confoederatio Helvetica für unfehlbar erklärt, trifft das vielleicht zu, allerdings auch nur für ein Jahr. Zudem muss Irène Kälin den Thron mit ganz vielen anderen Höchsten teilen: Zur Maskenpflicht an Schulen äussert sich die höchste Lehrerin Dagmar Rösler. Markus Ritter wacht als höchster Bauer über die grössten Kartoffeln. Und als höchste Schweizer Katholikin fordert Renata Asal-Steger mehr Gewaltentrennung.

Nüchtern hingeschaut handelt es sich bei diesen Höchsten um die Präsidentin des LCH (Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz), den Präsidenten des SBV (Schweizer Bauernverband) und die Präsidentin der RKZ (Römisch-katholische Zentralkonferenz). Aber Präsidentin oder Präsident eines Vereins? Wie popelig klingt das denn! – Also kriegen sie den Medial-Booster verpasst. Pimp my Biedermeier! Und schon peppen wir unsere Vereinslandschaft grossmäuliger auf, als es selbst die Erfinder der Grossmäuligkeit je wagen würden. Mir fallen im Moment gerade die Gekrönten nicht ein, aber es gibt sicher auch einen Höchsten der Kafirahmdeckelsammler und eine Höchste der Lederimitatshändler.

Damit beliebige Vorstandsworte bei uns Eindruck schinden, wird sogar die Queen übertrumpft, die bei «Hoheit» stehen geblieben ist, weil sie sich nicht traut, «ihre Höchstheit» in Anspruch zu nehmen. Sie ist halt 95 und glaubt mit mir zusammen wohl immer noch daran, dass es bei allem monarchischen Pomp der/die/das Höchste nur in Einzahl gibt. Wenn wir, die Queen und ich, im Advent die Zeile «Macht hoch die Tür, die Tor macht weit» anstimmen, dann rollen wir damit weder Vereinsmeiern noch Parlamentsmüllern den roten Teppich aus.

Text: Thomas Binotto