Im Namen des Bildes

Kultur

Im Namen des Bildes

Der Islam sei bildfeindlich – das Christentum dagegen bildfreundlich. So lautet die landläufige Meinung. Die Realität ist viel komplexer, wie eine Ausstellung im Museum Rietberg zeigt.

Häufig wird behauptet, der Islam kenne ein absolutes Bilderverbot und sei gegenüber der Darstellung von Figuren feindlich eingestellt – und das ganz im Gegensatz zum Christentum. Aber stimmt die Behauptung überhaupt? Verbietet der Islam Bilder tatsächlich kategorisch? Und was das Christentum angeht: Heisst es in den Zehn Geboten nicht, dass man sich kein Bildnis machen solle?

Wie kommt es, dass es im islamischen Kulturraum so viele Miniaturen, Keramikschalen und Textilien mit Menschendarstellungen gibt? Wie erklärt sich, dass in katholischen Kirchen Statuen verehrt werden dürfen? – Was hat es also mit dem Bilderverbot in den islamischen und christlichen Kulturen auf sich?

Die Ausstellung «Im Namen des Bildes» widmet sich diesen Fragen in einer kulturvergleichenden Schau. Sie zeichnet nach, welche Strategien Islam und Christentum im Verlauf der Jahrhunderte entwickelt haben, um mit dem Bilderverbot umzugehen. Im Zentrum steht dabei das Mittelalter, die Epoche zwischen dem 6. und 16. Jahrhundert. In dieser Zeit wurde die Bilderfrage ausführlich von Theologen erörtert. 

Im christlichen Okzident war es die Kirche, die über das Bild bestimmte. Aus einer anfänglichen Ablehnung des Bildes entwickelte sie eine Bildtheologie, in deren Mitte das verehrte Kultbild steht. Dagegen gab es jedoch auch Widerstand: Zweimal kam es zu einem Bilderstreit, einmal im 8./9. Jahrhundert und einmal während der Reformation kurz nach 1500, in deren Verlauf Bilder zerstört und Statuen zertrümmert wurden. 

Im islamischen Orient verlief die Entwicklung ruhiger. Hier waren es die einzelnen Rechtsschulen, die bestimmten, ob ein Bild «verboten» oder nur «tadelnswert» sei. Kein Zweifel bestand allerdings darüber, dass das Bild weder in der Moschee noch bei religiöse Handlungen einen Platz hat. In allen anderen Bereichen waren es die einzelnen Akteure und die gesellschaftlichen Machtverhältnisse, die die Bilderfrage immer wieder von Neuem aushandelten. So entstand an den Höfen in Persien, dem Osmanischen Reich und in Mogulindien eine reiche Bildkultur, während man in den Gebieten Nordafrikas Bildern äusserst zurückhaltend gegenübertrat. 

Die 136 Werke der Ausstellung decken einen geografischen Raum ab, der vom lateinischen Westeuropa (Königreich Frankreich und Heiliges Römisches Reich) über den östlichen Mittelmeerraum (Byzantinisches Reich und später Osmanisches Reich) und Westasien (Persien) bis nach Südasien (indisches Mogulreich) reicht.

Text: Thomas Binotto / pd