Kultur- UND Systemwandel

Editorial

Kultur- UND Systemwandel

«Es braucht mehr als einen umfassenden Kulturwandel in der Kirche.»

«Desaströs» seien die im Münchner Missbrauchsgutachten aufgezählten Unterlassungen und Fehler der damaligen Kirchenführer. Das sagt nicht irgendjemand. Das sagt Georg Bätzing, Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz.  Mit «desaströs» meint er auch das Verhalten des emeritierten Papstes Benedikt XVI., damals Erzbischof von München und Freising. Und er meint nicht nur sein damaliges Verhalten, sondern auch seine heutige, erschreckend verharmlosende Reaktion auf das Gutachten – inklusive Falschaussage und deren Korrektur ohne wirkliche Entschuldigung. 

Die deutschen Bischöfe sagen dazu, es brauche einen «umfassenden Kulturwandel», und es sei «um der Wahrheit willen» nötig, «dass wir Bischöfe uns der Verantwortung stellen, die uns und unsere Vorgänger im Wesentlichen alle gleich betrifft». Nur die Wahrheit werde Freiheit bringen, den Blick auf Jesus freigeben und möglicherweise auch neues Vertrauen für die Kirche schaffen, sagt Bätzing.

Richtig. Es braucht aber auch einen Systemwandel. Das Gutachten spricht von einem «totalen Systemversagen» – mindestens bis 2010. Kein einziger Kirchenverantwortlicher habe in dieser Zeit gegen die Vertuschungen von Missbrauch opponiert. Das Bild der Kirche nach aussen rein zu halten, war wichtiger als das Leid der Opfer. 

Es braucht also nicht bloss kosmetische Korrekturen in Form von unabhängigen Ombudsstellen, Missbrauchskommissionen und Präventionsmassnahmen, so wie sie heute – glücklicherweise – vielerorts bestehen oder im Aufbau sind. Diese sind wichtig und notwendig. Es braucht aber auch Veränderungen im System: Die Macht darf nicht mehr selbst kontrolliert und nur auf Männer verteilt werden. Es braucht Leitungsteams, Frauen und Männer in Führungspositionen und mehr Kompetenzen in den Ortskirchen.

Kirche ist überall dort, wo zwei oder drei im Namen von Jesus sich auf den Weg machen, sich öffnen für Gottes heilende Liebe. Dort wächst neues Vertrauen – aus dieser Mitte.

Text: Beatrix Ledergerber