Christen in Israel

Bericht aus Jerusalem

Christen in Israel

Einmal mehr geht der Blick nach Bethlehem und zu den Christen im Heiligen Land, von denen die Armenier als letzte im Festtagsreigen am 19. Januar das Fest der Geburt Jesu feiern.

«Wir haben die Aufmerksamkeit der Welt wie nie zuvor in der jüngsten Vergangenheit. Und wir haben die Chance, die Lösung unserer Probleme auf wirksame Weise zu fördern», mahnte der griechisch-orthodoxe Patriarch Theophilos III. am 10. Januar beim traditionellen Austausch von Weihnachtswünschen. Der 69-Jährige ist Wortführer der jüngsten Klagen über die Lage der Christen im Heiligen Land. Die Vorwürfe sind scharf: Christen seien das Ziel von Einschüchterungsversuchen und Übergriffen radikaler Randgruppen, um sie zu vertreiben. Ihre heiligen Stätten würden regelmässig vandalisiert, strategisch wichtiger christlicher Grundbesitz durch Hinterlist und Einschüchterung weggekauft. Ein Bekenntnis Israels zum Schutz der Christen gebe es, aber Behörden und Lokalpolitik versagten, wenn es um dessen Umsetzung in die Tat gehe. Gefordert wird auch die Schaffung einer besonderen christlichen Kulturx-erbezone. Diese solle die Integrität des christlichen Viertels in der Altstadt Jerusalems schützen sowie dessen Charakter und Erbe er-halten. Eine etwa zeitgleich lancierte ökumenische Online-Kampagne unter dem Titel «Heiliglandchristen schützen», ebenfalls unter Federführung Theophilos III., doppelt nach, warnt vor einem «Niedergang der christlichen Gemeinschaften im Heiligen Land» und einer Ausrottung der Heiliglandchristen als «reale Möglichkeit innerhalb einer Generation».

In vielen der 13 anerkannten Kirchen in Israel blieb es erstaunlich still zu den in der gemeinsamen Stellungnahme erhobenen Vorwürfen. Manches doch Gesagte liesse sich gar als Kritik an der Kritik verstehen, etwa die Worte des Lateinischen Patriarchen von Jerusalem, Erzbischof Pierbattista Pizzaballa, in seiner Neujahrspredigt. Er höre Leute sagen, dass Christen «Schutz» wollten, einen eigenen Raum. Diese Forderung nach einer schützenden Glaskuppel könne er nicht teilen. «Wir sind nicht zufällig Teil dieser Gesellschaft, sondern von der Vorsehung so gewollt, und deshalb wollen wir hier und jetzt ein integraler, konstruktiver Teil des zivilen Lebens sein», so Pizzaballa. 

So gänzlich unbegründet und realitätsverzerrend, wie der Sprecher des israelischen Aussenministeriums, Lior Haiat, die Vorwürfe der Kirchenführer über die Gefährdung der Christen im Heiligen Land hinstellte, sind sie unterdessen nicht.  Zuletzt am 9. Januar kam es an der Dormitio-Abtei auf dem Zionsberg zu einem Zwischenfall. Ein Sack Bauschutt wurde nämlich aus grosser Höhe auf den Küchenhof des zur Abtei gehörenden Studienhauses Beit Josef geworfen. Er verletzte zum Glück niemanden, beschädigte aber ein Blechdach, eine Regenrinne und Plastikmöbel. Nach Abteiangaben war der Sack «von mutmasslichen jüdischen Extremisten mit voller Absicht» geworfen worden. Deren anti-christliche Haltung sei aber nicht «die Mehrheitsposition» jüdischer Israelis, betont die Abtei.

 «Leider kein Zufall», urteilte die Trägerin des von der Dormitio mitverliehenen Dialogpreises «Mount Zion Award», Yisca Harani. Die jüdische Israelin berät israelische Ministerien in Fragen des Christentums – und sie engagiert sich in zahlreichen Dialogprojekten von Juden und arabischen Christen im Land. Dass dieses Miteinander möglich ist, zeigten, so Harani, auch die rund 200 Freiwilligen, die kommen, um das kaputte Dach, die Dachrinne und die Geräte zu reparieren.

Text: Andrea Krogmann