Keine Antwort gilt nicht

Editorial

Keine Antwort gilt nicht

Organspende … das ist ein Thema, bei dem es mir nicht gelingt, Sachlichkeit und Emotionalität auseinanderzuhalten.

Ich habe keinen Organspendeausweis. Und ich fühle mich beim Gedanken unwohl, ein Organ zu erhalten. Allerdings sitze ich jetzt gerade gesund an meinem Schreibtisch und stelle mir diese Fragen rein theoretisch. Wie würde ich im Ernstfall reagieren?

Praktisch bin ich nämlich heilfroh, dass eine gute Freundin dank einer Organspende immer noch am Leben ist. Und sollte das Leben eines meiner Kinder von einer Transplantation abhängen, so würde ich dazu mit Sicherheit aus tiefstem Herzen «Ja» sagen. Müsste ich dann aber als Konsequenz nicht doch zur Organspende bereit sein?

Ganz ehrlich: Bis heute drücke ich mich vor Antworten und hoffe insgeheim, dass ich sie nie geben muss. – Allerdings: Am 15. Mai werde ich Haltung zeigen müssen, weil wir dann über das Transplantationsgesetz abstimmen. Und egal wie ich mich am Ende entscheiden werde, ich werde das Thema und seine schwierigen Fragen nicht weiter vor mir herschieben und verdrängen können.

Für diesen Druck, den die Politik auf mich macht, bin ich dankbar. Ich muss mich nun endlich ernsthaft mit diesen Fragen beschäftigen. Und dankbar bin auch meiner Kollegin Veronika Jehle, dass sie das Thema in diesem Heft nicht theoretisch angeht, sondern es ganz konkret von verschiedenen Seiten her beleuchtet. 

Meine Haltung zur Organtransplantation werde ich zwar immer noch selbst finden müssen, aber eines ist mir immerhin schon klar geworden: Meine Antworten müssen nicht in Stein gemeisselt sein. Und der widersprüchliche Mix aus Gefühl und Rationalität, der es mir so schwer macht, diese Unsicherheit ist völlig normal.

Text: Thomas Binotto