In weiter Ferne so nah

Leben in Beziehung

In weiter Ferne so nah

Endlich ist es so weit! Nach vier Jahren, in denen ich meine Eltern nicht besuchen konnte, fliegen meine Schwester und ich über die Feiertage nach Hause. 

Es ist die Nacht des 14. Dezembers, kurz vor der Landung, Mexiko-Stadt liegt unter uns. Ich versuche zwischen den Lichtern, die sich weit bis zum Horizont erstrecken, eine vertraute Silhouette zu erkennen, ein Überbleibsel meiner Erinnerungen an meine Kindheit in dieser Stadt. Meine Aufregung ist riesig. Meine Schwester sitzt an meiner Seite und lächelt breit unter ihrer Maske. Ihre Augen leuchten voller Freude und reflektierten das Meer von Lichtern aus unserer Heimat.

Aus der Luft betrachtet wirkt die Stadt wie ein lebendiges Wesen, in dessen Adern ein unerschöpfliches Leben pulsiert. Die Bewegung hat eine hypnotische Wirkung auf mich. Tausende von Gedanken schiessen mir durch den Kopf. Für einen Moment erinnere ich mich an zahlreiche Erfahrungen der letzten Jahre, sei es als Student an der ETH in Zürich, aber auch in meiner Arbeit für die katholischen Hochschulgemeinde, das aki.

Diese wichtigen Momente in meinem Leben sind alle mit besonderen Menschen verbunden, die mich in diversen Formen beeinflusst und inspiriert haben. So schwer es oft sein mag, Erfolge und Sorgen nicht mit den Menschen teilen zu können, die einem am nächsten stehen, so wird mir doch gleichzeitig bewusst, wie dankbar ich Gott und all jenen bin, die mir ihr Herz geöffnet haben und damit auch meine Augen für eine Welt voller Hoffnung und Möglichkeiten.

Jetzt, in diesem Augenblick, bei der Betrachtung der mexikanischen Hauptstadt aus der Luft, spüre ich die Wärme und Gegenwart Gottes an meiner Seite. Es ist schwer zu beschreiben, aber irgendwie sind meine Schwester, die anderen Passagiere und ich von dieser allmächtigen Präsenz umgeben, die mir ein Gefühl heimatlicher Geborgenheit schenkt. In meine Gedanken versunken, lasse ich die Erinnerungen auf mich wirken und spüre die Grösse meiner Freude, meine Eltern sehr bald wieder in die Arme zu schliessen. 

Ich kann mich nicht mehr genau an die Landung erinnern. Alles geht sehr schnell. Wir stehen vor der Glastür des Zolls. Auf der anderen Seite warten meine Eltern. Einen Schritt nach dem anderen, fast im ungeduldigen Trab, gehen wir nach draussen. 

In der Menschenmenge haben wir uns sofort entdeckt. Unsere Blicke treffen sich und schon liegen wir uns in den Armen, halten uns so fest es nur geht und haben nicht die Absicht loszulassen. In dieser Umarmung steckten ehrliche Zuneigung und der unausgesprochene Wunsch, dass dieser Moment des Wiedersehens für immer andauern möge. In der Ferne haben wir den wahren Wert und die Bedeutung von Familie und aufrichtiger Liebe entdeckt.

Text: Sebastián Guerrero