Mama, chill mal!

Leben in Beziehung

Mama, chill mal!

Gute Tipps sind wunderbar – oder nerven ganz einfach fürchterlich. Geht es um TV-Serien oder Bücher, Klamottenläden oder schöne Ausflugsziele, nutze ich mein Netzwerk gern für gute Tipps.

Die letzten Wochen habe ich aufgrund einer Knieoperation (und darauffolgender Corona-Infektion) vor allem zu Hause und liegend verbracht. Ich hatte mehr Zeit als sonst für den Konsum von Büchern, von Serien und Podcasts. Und habe deswegen eifrig rumgefragt, wer was empfehlen kann für die etwas unfreiwilligen langen Abende und die Wochenenden à la maison. Eine Freundin brachte zum Krankenbesuch gleich einen ganzen Sack Bücher mit. 

Meine Hitliste vom Sofa mit Quarkwickel auf dem Knie: 
– «Der Fluch» von Ex-Kassensturz-Moderator Wolfgang Wettstein: Danke für den Tipp irgendwo in Instagram. 
– «The Split», eine BBC-Serie rund um eine Anwältin, ihre Mutter und die Familie – ein Dank geht an meine Schwester. 
– «Beziehungskosmos», ein Podcast von einer Journalistin und einer Paartherapeutin, die sich höchst interessant über die Fallen und Freuden von Beziehungen unterhalten. 

Nun mache ich das, was gerade Teenager wirklich hassen: Ungefragt Tipps verteilen! Und was wir Eltern doch ach so gern machen: Nimm einen Schal mit, überlege dir schon etwas im Vorfeld, trink noch etwas, ich würde das jetzt schon erledigen, nach dem Ausgang hast du keine Lust mehr etc. etc. So schwarz auf weiss ertrage ich das selbst kaum. 

Denn auch ich erhalte nicht gern Tipps, ohne nach diesen gefragt zu haben. Das finde ich übergriffig, oder ich wundere mich, für wie doof die Person mich eigentlich hält, wenn sie glaubt, ich käme nicht von selbst auf diese oder jene Idee. 

Der beste Tipp in jeglicher Hinsicht kommt von der – wie wir Eltern sie nennen – «Nato am Esstisch»: Zwei Mädchen, verbündet gegen Vater und Mutter. «Mama, Papa, chillt mal!», schallt es unisono von gegenüber – zu gefühlt jedem Thema. Ja doch! Ich versuche es wirklich, aber häufig ist mein guter Tipp oder der Hinweis auf das kleine Ärgernis (die Jacke von Tochter eins liegt schon wieder auf dem Flurfussboden!) raus, bevor ich darüber nachdenken konnte. Tut mir leid – aber trotzdem: «Mama, chill mal!» kann ich langsam wirklich nicht mehr hören. Also jetzt schnell Buch, Handy oder Compi genommen und raus aus der jetzigen Welt voller kleiner Ärgernisse, rein in eine andere Welt – was für ein Geschenk und danke für die willkommenen Tipps!

Text: Kerstin Lenz