Bischöfe gegen Widerspruchslösung

Abstimmung vom 15. Mai

Bischöfe gegen Widerspruchslösung

Am 15. Mai wird in einer Volksabstimmung entschieden, ob jede verstorbene Person grundsätzlich zum Organspender oder zur Organspenderin wird. Es geht um den Wechsel von der Zustimmungs- zur Widerspruchsregel.

Die Vorlage, über die am 15. Mai abgestimmt wird, ist ein indirekter Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Organspende fördern – Leben retten». Neu soll, wer eine Organspende nach dem Tod ablehnt, dies zu Lebzeiten ausdrücklich so festlegen. Bundesrat und Parlament wollen so die Chancen von Patientinnen und Patienten erhöhen, ein Organ zu erhalten. Mit der Widerspruchslösung soll die Spenderate erhöht werden – das erhoffen sich zumindest die Befürworterinnen und Befürworter von der Gesetzesänderung.

Allerdings gibt es einen Unterschied zur Volksinitiative: Hat ein Verstorbener seinen Willen zu Lebzeiten nicht kundgetan, sollen nächste Angehörige nach dessen mutmasslichem Willen gefragt werden. Sind keine Angehörigen erreichbar und ist der Wille der verstorbenen Person nirgends festgehalten, dürfen keine Organe entnommen werden. Die neue Regelung wird deshalb auch als «erweiterte Widerspruchslösung» bezeichnet.

Katholische Befürworter …

Den Gegnerinnen und Gegnern eines Wechsels geht auch das zu weit. Mit einem Referendum wollen sie die Änderung des Transplantationsgesetzes verhindern. Das überparteiliche Komitee hält es für ethisch fragwürdig, auf eine ausdrückliche Zustimmung der Betroffenen zu verzichten. «Schweigen heisst nicht Zustimmung», argumentieren sie. Die Widerspruchsregelung verletze das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit. Sie halten es zudem für unrealistisch, alle Menschen im Land ausreichend zu informieren.

Im Referendumskomitee sind auch Katholikinnen und Katholiken: Der Luzerner Ethikprofessor Peter G. Kirchschläger, der Theologe Niklaus Herzog, ehemaliger Geschäftsführer der Ethikkommission des Kantons Zürich, und der Pfarrer von Unteriberg SZ, Roland Graf, Mitglied der Bioethik-Kommission der Schweizer Bischofskonferenz (SBK).

… und Gegner

Auch die SBK-Kommission hat sich positioniert: Sie empfiehlt, am 15. Mai ein Nein in die Urne zu legen. In ihrer Stellungnahme vom 23. März stellte sie jedoch klar, dass die katholische Kirche die Organspende im Grundsatz bejaht, weil sie «einen Akt inniger Nächstenliebe und Solidarität darstellt».

Jedoch müsse ein Mensch frei und nach umfassender Aufklärung ausdrücklich einer Organspende zustimmen können. Laut der Bioethik-Kommission haben sich alle Ethikkommissionen gegen die neue Widerspruchsregelung ausgesprochen, weil mit dem Verzicht auf eine ausdrückliche Zustimmung die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen beeinträchtigt würden.

Zudem bezweifelt die bischöfliche Kommission, dass die Widerspruchs-regelung zu mehr Organspenden führe. Beispiele der Nachbarländer und weltweit hätten gezeigt, dass sich ein Wechsel von der Zustimmungs- zur Widerspruchsregelung negativ auf die Spenderate auswirken könne, zitiert die bischöfliche Kommission die Nationale Ethikkommission (NEK).

Katholischer Frauenbund uneins

Auch der Schweizerische Katholische Frauenbund (SKF) befürwortet die Organspende grundsätzlich. Doch sein Vorstand hat sich nicht auf eine gemeinsame Haltung zur erweiterten Widerspruchsregel einigen können. Er verzichtet deshalb auf eine Parole.

Der SKF befürchtet zum einen, die erweiterte Widerspruchslösung könne zu einem Druck auf die Angehörigen führen. Zum anderen zweifelt er daran, dass es möglich sei, alle Menschen in der Schweiz über die Möglichkeit des Widerspruchs zu informieren.

Text: Barbara Ludwig, kath.ch