Krieg der Bilder

Editorial

Krieg der Bilder

Der Krieg in der Ukraine ist auch ein Krieg der Bilder.

Seit der Erfindung der Fotografie hat sich unsere Wahrnehmung stark verändert. Während wir Zeichnungen und Texte ganz selbstverständlich als interpretierendes Werk wahrnehmen, halten wir Fotos ebenso selbstverständlich für ein direktes Abbild der Realität und machen uns deshalb kaum Gedanken über ihren Entstehungsprozess. 

Die Fotografie hat deshalb Manipulation, Fälschung und Propaganda nicht etwa erschwert, sondern massiv erleichtert. Nicht zuletzt deshalb, weil wir Fotos im Affekt immer für «echt» halten. Wenn wir sie kritisch hinterfragen wollen, müssen wir ganz bewusst unseren Kopf einsetzen, der all das in Frage stellt, was uns auf den ersten Blick als so real erscheint.

Wir müssen uns Fragen stellen wie: Wer hat dieses Foto gemacht? – In welchem Kontext ist es entstanden? – Welche Absicht verfolgen jene, die es verbreiten? – Wir müssen sogar uns selbst misstrauen, denn nichts macht uns so leichtgläubig wie ein Foto, das genau das zeigt, wovon wir ohnehin schon überzeugt sind.

Jedes Foto ist eine Inszenierung, die damit beginnt, dass man einen Bildausschnitt wählt. Und mit jedem Foto wird eine Absicht verfolgt, die damit beginnt, dass man das Foto macht. Das gilt auch für Fotos der Ukrainer, denen meine Sympathie gehört. Und es gilt auch für Fotos, die mich tief in der Magengrube treffen. Kein Foto ist imstande, mir die «Wahrheit» zu zeigen. Wahrnehmung bleibt ein komplexer Prozess, für den es keine Abkürzungen gibt, auch nicht durch ein Foto, das mir vorgaukelt, ich könne damit die Realität auf einen Blick erfassen.

Ich selbst habe meinen Bilderkonsum zum Ukrainekrieg 
drastisch eingeschränkt. Ich informiere mich mit dem Lesen von Berichten und dem Hören von Nachrichten. Ich bin deshalb nicht weniger von der Unmenschlichkeit des Krieges überzeugt und erschrocken über die Hölle, die sich hier auftut.

Text: Thomas Binotto