Widerstand gegen Verhaltenskodex

Bistum Chur

Widerstand gegen Verhaltenskodex

Der vom Churer Bischof am 5. April unterzeichnete Verhaltenskodex für kirch­liche Mitarbeitende zur Prävention von Missbrauch sorgt für Diskussionen.

Bischof Bonnemain, die drei Generalvikare und die obersten Vertreter der sieben Kantonalkirchen in der Diözese Chur haben am 5. April einen «Verhaltenskodex zum Umgang mit Macht» unterzeichnet. Der Untertitel «Prävention von spirituellem Missbrauch und sexueller Ausbeutung» umschreibt das Ziel des Dokumentes.

Nun stellte ein «Churer Priesterkreis» in einer Stellungnahme am 28. April klar, warum man den Verhaltenskodex nicht unterschreiben könne. Der Prävention von Übergriffen komme «eine hohe Bedeutung» zu, und 95 Prozent der im Kodex thematisierten Inhalte «betrachten wir als Ausdruck des gesunden Menschenverstands und des Anstands», heisst es in der Stellungnahme. Trotzdem hätte der Diözesanbischof das Dokument «niemals unterzeichnen dürfen». Denn damit schränke er in seiner Diözese die Verkündigung von bestimmten Teilen der Glaubenslehre ein und «verzichtet für sich sowie die ihm unterstellten Vorgesetzten und die Priester, Diakone und Laienmitarbeiter darauf, dass bestimmte Teile der kirchlichen Lehre und Ordnung in der Pastoral angewandt werden». Auf Kritik stösst z.B. folgender Satz aus dem Kodex: «Ich verzichte auf pauschal negative Bewertungen von angeblich unbiblischem Verhalten aufgrund der sexuellen Orientierung.» Wer diesen Satz unterschreibe, könne nicht mehr die kirchliche Lehre zur Homosexualität verkünden, wie sie im Katechismus festgehalten sei.

Der Bischof von Chur, Joseph Bonnemain, teilte gleichentags mit, er nehme die Stellungnahme ernst. Er sei bereits einen Tag vor Unterzeichnung des Kodexes vom Priesterkreis gebeten worden, diesen nicht zu unterschreiben. Schon damals habe er dem Priesterkreis geschrieben, er wolle «mit ihnen für eine konstruktive Aussprache zusammenkommen». Denn einzelne Passagen des Verhaltenskodexes müssten «im richtigen Zusammenhang gelesen und gedeutet werden». Bischof Bonnemain bringt sein Bedauern zum Ausdruck: Es schmerze, dass der Churer Priesterkreis mit seinen Beanstandungen an die Öffentlichkeit gelangt sei, bevor eine persönliche Begegnung stattgefunden habe. 

Leserbrief

Was der «Churer Priesterkreis» in seiner Stellungnahme vom 28.4. fordert, das heisst, den Verhaltenskodex nicht zu unterschreiben, ist meines Erachtens ein veritabler Affront gegenüber unserem Bischof. Das hat Joseph Maria Bonnemain nun in der Tat nicht verdient. Das ist ganz einfach skandalös. Der Grundsatz: «Ecclesia semper reformanda» wird auf diese Weise grob missachtet. Der «Churer Priesterkreis» sollte darüber grundlegend nachdenken!
Paul Odermatt  Richterswil

Text: kath.ch