Auszeit im Kloster Fahr

Reportage

Auszeit im Kloster Fahr

«Leben im Rhythmus der Benediktinerinnen» – so heisst das neue Angebot 
im Kloster Fahr. Kerstin Lenz hat es ausprobiert.

«Ich geh ins Kloster!» Meine Familie staunt. Doch ich ziehe es durch – zumindest für 24 Stunden. Raus aus dem Alltag, etwas anderes erleben, sich mit Glauben und Bibel beschäftigen – das klingt ver-lockend. Weniger verlockend: Schweigen – sogar beim Essen! Ein Telefonat mit Jeanine Kosch, die gemeinsam mit Priorin Irene Gassmann das Angebot leitet, erleichtert mich: «Wenn es wirklich nicht geht, kannst du zwischendurch reden. Die Idee wäre aber zu schweigen. Probiere es aus!»

An einem regnerischen Freitag stiefele ich direkt vom Büro mit meinem kleinen Rucksack los. Die Auszeit beginnt mit der Vesper – dem Abendlob, das die zehn Frauen, die an der Auszeit teilnehmen, mit der Fahrer Schwesternschaft begehen. Trotz verschiedener bunter Bändeli im Gebetbuch, das mir Jeanine Kosch vorbereitet in die Hand drückt, bin ich verloren und habe keine Ahnung, wo «wir» im Ablauf gerade sind. Einige aus der Gruppe summen leise mit. Die rund 25 anwesenden Schwestern füllen die prachtvolle, kleine Kirche im Kloster Fahr mit ihren Stimmen aus. Ich höre dem wunderschönen Gesang der Schwestern, den Lesungen und Gebeten zu. Und dann passiert es: Ich werde samt meiner Augenlider schwer, kann mich kaum aufrecht halten in der harten Bank. Totale Entspannung. Ich nicke weg (hoffentlich nur kurz).

Der Weg zum Abendessen führt durch den Chorraum direkt ins Kloster, in den offenen Bereich für Gäste. Nach einer kurzen Begrüssung der Priorin und von Jeanine Kosch, die als Oblatin zur Klostergemeinschaft gehört, ohne vor Ort zu leben,  essen wir – im Schweigen. Ich staune: Das ist gar nicht so schwer. Priorin Irene liest aus der Bibel vor. Ich lausche, lasse die Gedanken ziehen. Geht doch!

In der Abendmeditation, die wir Frauen nach einer Kennenlernrunde und nach einer «Schnellbleiche» zur Benediktsregel halten, ist sie wieder da – diese Müdigkeit. Ich glaube, ich bin auf dem gar nicht so bequemen Stuhl eingeschlafen, und wanke direkt von dem wunderschönen Raum in meine Klosterzelle. Schnell kuschele ich mich mit der Bibel als Lektüre ins echt gemütliche Bett. Doch ich falle quasi sofort in einen tiefen Schlaf, der satte neun Stunden dauert. Wer braucht Wellness, wenn man zur Auszeit ins Kloster kann? 

Herrlich ausgeschlafen lese ich morgens ein wenig in der Bibel, esse still und leise Frühstück und schon geht es wieder in die Kirche. Den Weg finde ich nur, indem ich hinaus in den kalten Morgen laufe und über das kleine Grabfeld die Kirche betrete. Kaum singen die Schwestern, werde ich wieder todmüde – peinlich, peinlich. Gleiches nach dem Mittagsgebet und dem Essen, ich halte Mittagsschlaf, nicht zehn Minuten, sondern ganze anderthalb Stunden! Oje – eigentlich war doch Bibellektüre vorgesehen, entsprechend dem benediktinischen Tagesablauf. Im persönlichen Gespräch mit Priorin Irene, das Teil des Angebots mit freier Themenwahl ist, spreche ich von meinen Schlafattacken. Die Priorin lächelt mich fein an und sagt: «Den Seinen gibt es der Herr im Schlaf!» Das ganze Leben zieht an uns in dem intensiven Gespräch vorbei: Familie, Glauben, Spiritualität im Alltag. Ich bin zur Ruhe gekommen und hoch zufrieden. 

Text: Kerstin Lenz, freie Mitarbeiterin