Es bleiben gemischte Gefühle

Der Papst in Kanada

Es bleiben gemischte Gefühle

Die Reise des Papstes hat eine Tür zur Aussöhnung mit den Indigenen geöffnet – mangelnde Klarheit in seinen Aussagen präzisierte Franziskus teilweise aber erst nachher. 

Die Papstreise nach Kanada vom 24. bis 29. Juli endete bemerkenswert: Papst Franziskus nannte das erlittene Unrecht der Indigenen eine Form von «Völkermord». Dieses Wort sprach er aber erst aus, als er Kanada schon verlassen hatte – im Flugzeug nach Rom. Dass er auf den Begriff vorher verzichtet hatte, den Kanadas Wahrheits- und Versöhnungskommission selbst benutzte, war ihm auf seiner Reise durch das zweitgrösste Land der Erde mehrfach vorgeworfen worden.

Bitte um Vergebung

Franziskus hatte diese Reise – trotz körperlicher Einschränkungen – angetreten, um Abbitte zu leisten. Nach jahrelangen Forderungen von Ureinwohnern und Politik an das Kirchenober-haupt bat er um Vergebung für die Rolle der Kirche in dem verheerenden System der Residential Schools. Diese Internate waren wesentlicher Teil kolonial-europäischer Anpassungspolitik.

Rund 150000 indigene Kinder mussten diese unter Zwang besuchen; unter den desolaten Bedingungen dort starben laut Expertenschätzungen 4000 bis 6000 Kinder. Bei vielen Überlebenden hält das Trauma aufgrund von Misshandlungen und Missbrauch bis heute an. Zwar betrieben auch andere Konfessionen diese vom Staat initiierten und finanzierten Einrichtungen; ihr System baute aber auf jenen Schulen auf, die katholische Missionare mit Beginn der Kolonialisierung in Kanada errichtet hatten. Betreiberin war somit zu einem grossen Teil die katholische Kirche. Franziskus bat für deren Rolle –auch bei der Kolonialisierung und Zwangsmissionierung – während seiner Reise mehrfach um Vergebung, verurteilte dabei die Taten von «vielen Mitgliedern der Kirche» und «von Ordensgemeinschaften», «von Christen» – die Institution «römisch-katholische Kirche» jedoch nicht. Dass er diese mitmeinte, präzisierte er in einem Gespräch mit Jesuiten, das erst nach seiner Reise veröffentlicht wurde.

Weg der Verarbeitung

Lobende Worte und Anerkennung für die von Papst Franziskus selbst so bezeichnete «Buss-Reise» fanden viele Indigene trotzdem. Bei den meisten von ihnen überwog die Erleichterung über diesen so wichtigen Schritt auf dem Weg der Verarbeitung. Denn neben den vielen Überlebenden selbst leiden ebenso ihre Angehörigen und Gemeinschaften bis heute unter den Traumata durch das Schulsystem.

Mit ihnen suchte Papst Franziskus an allen drei Stationen – Edmonton, Quebec und Iqaluit – das verbindende Element. Er besuchte die erste indigene katholische Pfarrei Kanadas, betete an einem See, der den Indigenen heilig ist und zugleich bedeutender Wallfahrtsort für Katholiken aus ganz Nordamerika. Verbunden wurden die zahlreichen Treffen mit traditioneller Trommelmusik der Ureinwohner, die Franziskus überallhin begleitete. 

Zu Beginn einer Messe am nationalen Wallfahrtsort Sainte-Anne-de-Beau-pré forderten Indigene auf einem Transparent, Franziskus solle Aussagen früherer Päpste zur Legitimierung der Kolonialisierung widerrufen – was Papst Franziskus nicht tat.

Die sogenannte «Entdeckungsdoktrin» hatte ihren Ursprung in päpstlichen Urkunden des 15. Jahrhunderts. Europas Kolonialherrschern lieferte sie einen Vorwand, indigene Völker zu enteignen, zu entrechten und sie floss auch in spätere staatliche Gesetzgebung und Rechtsprechung ein. Bedingt konkret dazu äusserte sich Franziskus auch erst nach dem Abflug aus Kanada: Diese Doktrin der Kolonisierung, das stimme, sei schlecht und ungerecht und werde teils heute noch angewandt. Die Absicht, Dokumente seiner Vorgänger zu widerrufen, äusserte er jedoch nicht. Immerhin sollen laut Medienberichten kanadische Bischöfe mit dem Vatikan an einer Erklärung zur «doctrine of discovery» arbeiten.

Fragen zur Rückgabe indigener Artefakte aus vatikanischen Museen oder die Forderung nach einer Öffnung von Kirchenarchiven zur weiteren Aufarbeitung der Geschichte der Residential Schools blieben bislang offen.

Text: Severina Bartonitschek, kathpress.at