Gottesbilder wollen etwas

Zusammen glauben? – Gottesbilder (2/5)

Gottesbilder wollen etwas

Gottesbilder sind gefährlich, wenn sie instrumentalisiert werden, um Gott zu instrumentalisieren.

In unserer Pfarrkirche Heilige Familie in Richterswil fällt das grosse, neubarocke Hochaltar-Gemälde von Jakob Edwin Bachmann (1873–1959) auf. Es zeigt eine Darstellung der Heiligen Familie in Anlehnung an Bartolomé Esteban Murillo («Die irdische und die himmlische Dreieinigkeit», zirka 1675–82). Gott Vater blickt von oben auf die Heilige Familie, zwischen Gott Vater und dem Jesuskind befindet sich eine leuchtende Taube. Zweifellos ein eindrückliches Bild, das zum Staunen und Verweilen einlädt. Aber heisst es nicht: «Du sollst keine anderen Götter neben mir haben. Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder des, das oben im Himmel, noch des, das unten auf Erden, oder des, das im Wasser unter der Erde ist.» (Buch Exodus 20,3–4)

Tatsächlich könnte hier ein Widerspruch reklamiert werden. Aber über die Jahrhunderte hinweg haben Kunsttreibende göttliche Darstellungen in vielen Formen erschaffen, sei es in der bildenden Kunst oder auch in der Musik. Entscheidend ist das «Wie», wie ein Gottesbild dargestellt wird. «Gott ist Liebe» (Erster Brief des Johannes, 4,16) ist jener einfache Satz mit drei Worten, der umreisst, um was oder genauer wen es bei Gott geht. Die Darstellung in der Pfarrkirche Richterswil drückt tatsächlich Geborgenheit, Nähe, ja sogar Zärtlichkeit aus. Was also sollte daran verwerflich sein, ein solches Bild von Gott, ein solches Gottesbild zu entwerfen und zu realisieren? Immer wieder wurden solche oder ähnliche Bildnisse zerstört, sei es durch Krieg, sei es als Begleiterscheinung reformatorischen Geschehens oder durch verständnislose «Restaurierungen» und «Neugestaltungen» von Kirchenräumen bis heute. 

Problematisch werden Gottesbilder erst dann, wenn sie sich von der Haltung aus dem ersten Brief des Johannes massgeblich entfernen. Wenn sie instrumentalisiert werden, um Gott zu instrumentalisieren. So wurde und wird beispielsweise mit diesem Zitat verfahren: «Wenn jemand bei einem Manne liegt wie bei einer Frau, so ist das ein Gräuel und beide sollten des Todes sterben» (Buch Levitikus 20,13). Bis zum heutigen Tag sind Meinungen zu vernehmen, die behaupten, hier ein Verbot für «Homosexualität» (besser: Liebe zwischen Menschen gleichen Geschlechts) verorten zu können. Abgesehen davon, dass der Vers aus Levitikus hier nur unter Beachtung der damaligen soziokulturellen Situation begreifbar ist: Welches Gottesbild steckt dahinter, wenn ich das für bare Münze nehme und andere verurteile? Mit solchen Gottesbildern, besser Zerrbildern, wurden und werden Kriege geführt. Das hat dann weder etwas mit einem Gottesbild, geschweige denn mit Gott zu tun. Hier spielten die menschliche – mitunter grauenhafte Paranoia und Angst ein übles Spiel. Hier wird Gott pervertiert, instrumentalisiert und zweifelsfrei auch missbraucht, um  (un)menschliche Emotionen und Anwandlungen zu rechtfertigen. Derartige Gottesbilder sind dann auch keine und sind als ihr Gegenteil zu entlarven. Bisweilen spricht man von krankhaften oder krank machenden Gottesbildern.

Text: Mario Pinggera