Wenn charismatische Tiere sterben

Interview

Wenn charismatische Tiere sterben

Innert kurzer Zeit sind drei Elefanten im Zürcher Zoo gestorben. Wie gehen Mitarbeitende damit um? Und welche Rolle spielt der Zoo im Naturschutz?

Innert kurzer Zeit sind drei Elefanten im Zürcher Zoo am Elefantenherpesvirus gestorben. Wie konnte das passieren?

Pascal Marty: Alle erwachsenen Elefanten tragen dieses Herpesvirus in sich, ob in Zoos oder in der Natur. Für junge Elefanten im Alter von zwei bis acht Jahren ist dieses Virus sehr gefährlich, weil ihr Immunsystem noch keine Antikörper gegen dieses Virus gebildet hat. Solche Todesfälle passieren leider immer wieder.

Hängen die häufigen Virusansteckungen damit zusammen, dass die Tiere auf engem Raum leben?

Nein. Solche Virusinfektionen kommen genauso in der Wildnis vor. Das Elefantenherpesvirus führt im Krankheitsstadium dazu, dass das Blut der Tiere nicht mehr richtig gerinnen kann. Die Elefanten sterben am Ende oft an Organversagen.

Wie trauern Sie im Zoo um die toten Elefanten? Oder wird gar nicht getrauert?

Für die Tierpfleger und Veterinäre, die mit den erkrankten Elefanten zu tun hatten, war es sicher eine sehr belastende Zeit. Um die toten Tiere wird aber nicht in Form eines speziellen Rituals getrauert, das geschieht eher auf individuelle Weise. Im Zoo liegen Leben und Tod ja grundsätzlich nahe beieinander. Beides gehört zur Normalität. Wenn solch charismatischen Tiere wie Elefanten sterben, ist das aber sicherlich schwerer zu ertragen. Elefanten sind ja Tiere, die einen eigenen Charakter haben und sich so voneinander unterscheiden.

Trauern die anderen Elefanten sie um ihre Artgenossen?

Bemerkt haben sie den Verlust sicher. Wir geben sozialen Tieren, wie den Elefanten, auch immer Zeit, sich zu verabschieden. Ob sie trauern, ist schwer zu sagen, da der Begriff sehr menschlich geprägt ist.

Menschen reisen nach Afrika, um auf Safari zu gehen. Dabei könnte man viele wilde Tiere im Zoo beobachten …

Es besteht aus meiner Sicht eine grundsätzliche Faszination und Neugier des Menschen für seine Mitgeschöpfe in der Natur. Nicht alle können sich aber eine Safari-Reise leisten. Deshalb kommen jedes Jahr viele zu uns in den Zürcher Zoo, um hier wilde Tiere zu beobachten, sich für sie zu begeistern und auch etwas über deren Bedrohung und Schutz zu erfahren. Im letzten Jahr hatten wir 1,27 Millionen Besucher.

Wie zeitgemäss sind Zoos noch?

Moderne, wissenschaftlich geführte Zoos braucht es aus meiner Sicht un-bedingt. Neben dem Wissen über Tiere liefern sie wichtige Erkenntnisse für die Forschung und tragen massgeblich zum Natur- und Artenschutz bei. Moderne Zoos begeistern für die Natur und die Tiere, klären über den Naturschutz auf und motivieren unsere Besucherinnen und Besucher, sich aktiv am Naturschutz zu beteiligen.

Inwiefern?

Bei uns im Zürcher Zoo haben wir beispielsweise asiatische Löwen. Von dieser Unterart gibt es weltweit nur noch rund 400 Tiere – von denen alle in einem indischen Nationalpark leben. Sollte dort eine Krankheit ausbrechen und den Löwenbestand auslöschen, verfügen europäische Zoos wie unserer über wichtige Reservepopulationen und tragen so zum Artenschutz bei. Ich habe noch ein besseres Beispiel.

Welches?

Im Zoo Zürich züchten wir Waldrappe. Diese Vogelart ist in der Schweiz vor etwa 400 Jahren ausgestorben. Dank Zoos und deren Zuchtprogrammen konnten inzwischen viele Tiere, auch aus dem Zoo Zürich, wieder ausgewildert werden. Heute kann man, wenn man sehr viel Glück hat, auch in der Schweiz wieder Waldrappe beobachten.

Text: Wolfgang Holz, kath.ch