z.B. Giuliana Serio

Porträt

z.B. Giuliana Serio

Von der Kirchenbasis ist oft die Rede – aber fast nie von den Menschen, welche die Basis ausmachen. Giuliana Serio ist das zweite Gesicht unserer Porträtreihe «z.B.».

Sie nennen es «Regenbogen-Zeit»: In der christlichen Kita, in der Giuliana Serio arbeitet, nehmen sie sich jede Woche eine Stunde Zeit, um den Kindern eine biblische Geschichte zu erzählen. «Wir dürfen das», sagt sie. An anderen Orten gehe das Christliche ja eher unter. An Ostern beispielsweise, wo viele meinen, es komme bloss der Osterhase, erzählt sie dann auch von der Kreuzigung. Sie hat Figuren, Sand und andere Materialien zur Hand, damit entsteht die Geschichte vor den Augen der Kinder, während sie erzählt. «Es geht nicht darum, zu vermitteln: So musst du glauben.» Die Kinder denken selbst und dürfen sich ihre eigenen Geschichten zusammenreimen. Die Methode hat sie unlängst in einer Weiterbildung kennen gelernt: «Die biblischen Geschichten sind so aufbereitet, dass man sie den Kindern weitergeben kann.» 

Wenn Junge wieder zu Gott finden

«Weitergeben» – Giuliana Serio sagt das Wort überraschend häufig. Die 23-Jährige hätte nämlich gern «mehr Jüngere drin in der Kirche», damit das Christliche bestehen bleibt und auch weitergeht. Sie hält einen Moment inne. «Ja, ich glaub schon: Ich hab einen guten Bezug zu Gott.» Und spricht dann von «Halt und Stärke», die ihr der Glaube gibt. Natürlich kennt sie die Erfahrung, im Freundeskreis schräg angeschaut zu werden, weil sie an Gott glaubt, weil sie in die Kirche geht, weil sie in einer christlichen Institution arbeitet. Allerdings habe sich ihr Umfeld durch die Arbeit verändert. «Je älter ich werde, desto mehr merke ich, dass viele auch wieder zu Gott finden.» Ihrer Erfahrung nach wenden sich diese dann meist einer Freikirche zu.

Giuliana Serio hingegen ist ihrer Heimatpfarrei treu geblieben. Obwohl sie seit längerem in Winterthur wohnt, fährt sie regelmässig nach Greifensee, an den Ort, an dem sie aufgewachsen ist. Ihre ehrenamtlichen Engagements in der Pfarrei dort sind vielfältig: Im Advent hilft sie nach den Rorate-Gottesdiensten beim Zmorge. Sie übernimmt die Kinderhüeti. Neu macht sie bei der Kontaktgruppe mit, die nach grossen Feiern den Apéro serviert. Ausserdem ist sie Firmbegleiterin, und das seit bestimmt schon sechs Jahren. Die Frage nach ihrer Motivation scheint sie ein wenig zu verwundern. Schliesslich meint sie: «Es freut mich, wenn ich jemandem eine Freude machen kann.» Es seien ja viele Ältere da an den Anlässen der Pfarrei. Und diese hätten Freude, wenn jemand Junges da sei. «Im Gespräch mit ihnen ist es auch jedes Mal ein Thema, dass die Jungen in der Kirche fehlen.»

Eine Nacht in der Pfarrei

Ob sie es auch herausfordernd findet, katholisch zu sein? «Nein, gar nicht.» Am Firmweg, den sie nun ja bereits zum wiederholten Mal begleitet, werde auch vieles vom katholischen Glauben angeschaut und miteinander diskutiert. «Da kann ich dahinterstehen.» Das sei schon so gewesen, als sie selbst noch den Unti besucht habe. Sie erinnert sich an ihre Zeit als Ministrantin, an die «megacoolen» Höcks. Man habe Spass miteinander gehabt und vieles erlebt. Das Gefühl, «spezielle Sachen» machen zu dürfen – einmal hätten sie sogar in der Pfarrei übernachtet –, ist ihr geblieben. Es war eben «nicht so das stiere Unti-Lernen. Und genau das möchte ich gerne weitergeben.» Da ist sie wieder, diese Haltung. Giuliana Serio weiss, dass sie zum Weitergeben des Glaubens an junge Menschen eine wichtige Voraussetzung mitbringt: Sie ist in ihrem Alter «näher dran» an jenen, die jetzt Jugendliche sind. Erreicht sie etwas? «Es kommt sehr viel von den Jugendlichen und so entstehen Diskussionen.» Sie findet es «cool, dass im Firmweg jeder Raum erhält, seine Sicht zu zeigen und auch mal kritisch zu sein». 

Giuliana Serio schaut sich im Gottesdienstraum um, in dem wir sitzen und miteinander reden. Die Pfarrei in Greifensee hat nämlich keine Kirche im eigentlichen Sinn. Da ist kein hoher Turm, kein langes Kirchenschiff im alten Stil, kein Vorne und Hinten, kein Oben und Unten. Im Haus, das sich Begegnungszentrum nennt, ist ein Raum eingerichtet, würdig und schön, damit Menschen miteinander Gottesdienst feiern können. «Für mich ist hier immer mein Ort vom Glauben gewesen», sagt sie. Es ist ihre Erklärung, warum sie sich an diesem Ort engagiert. Und als sie sagt, dass es «fast so ein bisschen wie daheim» ist, huscht Rührung über ihr Gesicht. Ihr Grossvater kommt ihr in den Sinn, ein Italiener, und dann ihr Grossmami, die Spanierin ist. Sie erinnert sich, wie sie mit ihnen in die Kirche gegangen ist und gebetet hat, dass das etwas sehr Schönes war. Ihren Glauben zu leben, verbindet sie mit ihren Grosseltern.

«Weil es mir Kraft gibt»

Ihre erste Bezugsperson in der Pfarrei ist Gregor Sodies. Er leitet gemeinsam mit seiner Frau Hella die Gemeinde. Giuliana Serio kennt die beiden nun schon jahrelang. Zu Gregor, mit dem sie vor allem zusammenarbeitet, fallen ihr lachend eine ganze Reihe von Geschichten ein, bis zurück in die Zeit, als sie selbst noch Firmandin in seinem Kurs war. Er sei einer, der nicht den Leiter heraushängen lasse. «Bei ihm merkt man einfach, dass er auch ein Mensch ist. Und dass er noch jung geblieben ist. Er ist fürsorglich und es ist ihm wichtig, dass allen wohl ist – aber es ist auch immer lustig mit ihm.» Giuliana Serio betont, dass sie es «keine Sekunde» bereut, ja gesagt zu haben zu den Aufgaben in der Pfarrei. Auch wenn sie weiss, dass sie schwer «nein» sagen kann und sich manchmal mehr Zeit für sich selbst nehmen sollte. Aber die Pfarrei wäre für sie der letzte Ort, an dem sie ihr Engagement aufgeben würde, da ist sie sich offensichtlich sicher. «Weil dieses Engagement mir Kraft gibt.» Und die braucht sie, spätestens wenn sie wieder in der Kita arbeitet.

Text: Veronika Jehle