Strafen müssen Grenzen haben

Hintergrund

Strafen müssen Grenzen haben

Die Journalistin Susan Boos hat die Strafsysteme verschiedener Länder untersucht. Heute ist sie überzeugt, dass präventive Gefängnisstrafen mehr schaden als nützen.

Als Susan Boos mit gut 40 Jahren die Redaktionsleitung bei der WOZ übernahm, bekam sie etliche Briefe von verwahrten Personen aus dem Gefängnis. Sie gaben den Anstoss zu einem Buch, mit dem die amtierende Präsidentin des Schweizer Presserates weder die Gefängnisse noch die Strafen abschaffen will: «Die Strafe braucht es für den gesellschaftlichen Frieden.» Aber sie wollte «mit Menschen sprechen, die in der Problematik drin sind». Aus diesem Grund hat sie sich nicht nur mit Anwälten und Expertinnen in Sachen Strafrecht getroffen, sondern auch Gespräche mit heute noch verwahrten Personen – oder solchen, die es mal waren – und deren Familienangehörigen geführt.

«Viele der Verwahrten aus den Nullerjahren kommen nun in ein pflegebedürftiges Alter. Es braucht Orte und Institutionen für sie», gibt die 58-Jährige zu bedenken. Die Schweiz habe kein sehr gutes Modell. Dabei meint Boos nicht nur die älter werdenden weggesperrten Personen, sondern auch die Verwahrung im Allgemeinen. «Verwahrte Personen haben ihre eigentliche Strafe irgendwann einmal abgesessen. Danach ergibt es eigentlich keinen Sinn mehr, sie im normalen Strafvollzug zu lassen.»

Susan Boos untersuchte, wie die Niederlande und Deutschland mit verwahrten Personen um-gehen. Die Unterschiede könnten nicht grösser sein. Während es in Deutschland eigene Abteilungen für Verwahrte gibt, setzt Holland auf eine Art «eigenes Dorf». «Die Insassen heissen dort Bewohner und können ihr Leben selbstbestimmter gestalten», erzählt Boos. Teilweise kommen sogar Schulklassen zu Besuch. «Das ist ein völlig anderer Umgang mit Leuten, die nur noch weggesperrt sind, weil sie als gefährlich gelten und die Öffentlichkeit vor ihnen geschützt werden soll – und nicht, weil sie ihre Strafe zu verbüssen haben.» Im Vergleich: In der Schweiz bleiben verwahrte Personen je nachdem ein ganzes Leben im Strafvollzug. Das heisst: es wird ihnen gesagt, wann sie aufstehen und zu Bett gehen sollen, wie viele Telefonate sie am Tag führen dürfen, wen sie als Besuch wöchentlich empfangen dürfen und wann es was zu essen gibt.

Text: Nina Frauenfelder, Pfarreiforum St. Gallen