Umdrehen zum Leben

Zusammen glauben? – Gottesbilder  (Beitrag 3/5)

Umdrehen zum Leben

Ich finde es herausfordernd, über das zu sprechen, was Menschen «Gott» nennen. 

Mir sind Namen und Eigenschaften Gottes eingefallen – häufig sind sie mit einem männlichen Artikel verbunden, «barmherziger Gott», «gütiger Gott», auch «allmächtiger Gott», Schöpfer, Freund, Gärtner, Kraft. Christlich aufgewachsen, ist für mich der biblische Gottesname wichtig. Übersetzt mit «Ich werde da sein, als der:die ich da sein werde» macht er für mich deutlich, dass Gott als Beziehung und in Beziehung beschrieben wird. Das ist eine Zusage, auf Glaubensebene. 

Wenn ich aber gefragt bin zu sagen, was für mich persönlich bedeutsam ist, dann habe ich die Begegnung von Maria Magdalena mit dem auferstandenen Jesus vor Augen (überliefert im Johannesevangelium, Kapitel 20, Verse 11 bis 18). Meist wird Maria aus dem Ort «Magdala» stammend beschrieben, sie war Jüdin, Anhängerin Jesu und seine wohl engste Weggefährtin. «Magdala» aber heisst auf Aramäisch «Turm», und das wird heute in der Forschung als Ehrentitel verstanden: Petrus «der Fels», Maria «der Turm». Dies deckt sich auch mit der Bedeutung, die Maria Magdalena in der frühen Kirche hatte. Papst Franziskus gab ihr den Ehrennamen «Apostelin der Apostel» – ein Turm des Glaubens. Sie bleibt bei Jesus in Folter und Leiden, bei der Kreuzigung und der Grablegung, sie begegnet dem Auferstandenen als Erste. 

Erschüttert vom Tod dieses so geliebten Menschen macht Maria das, was sie noch tun kann: Sie geht bei der ersten Möglichkeit nach dem Sabbat zum Grab, sie trauert. Es ist aber anders als erwartet. Statt des Leichnams findet sie zwei «Lichtgestalten», und sie schafft das, was mich immer wieder beeindruckt: Sie schafft es, mitten in diesem Schock der Ermordung Jesu, nicht in der Erstarrung zu bleiben, sondern sich umzuwenden, in Bewegung zu kommen. Diese Bewegung scheint entscheidend zu sein: weg vom Grab, hin zu einer Person und zum Garten. 

Bekannt ist die Begegnung. Maria erkennt Jesus, als er sie bei ihrem Namen ruft, und antwortet ihm mit «Rabbuni!» («mein Rabbi»). Überliefert ist die Antwort Jesu: «Noli me tangere», übersetzt mit «Rühre mich nicht an!», «Halte mich nicht fest!» oder «Halte mich nicht auf!» Der Schriftsteller Patrick Roth hat diesen berührenden Moment der Begegnung «Magdalenensekunde» genannt.

Im Schmerz, im Leid, in den Erschütterungen macht das den Unterschied. Gottesbegegnung beziehungsweise Auferstehung, so erzählt das Johannesevangelium, bedeutet genau das: Ich erstarre nicht dauerhaft in Leid und Schmerz und Entsetzen, sondern ich kann mich – irgendwann – wieder umwenden, ich kann mich wieder zuwenden.

Ich selbst weiss: Manchmal kann ich keine Engel sehen, auch keine Person, die meinen Namen ruft. Aber ich kann mich – vielleicht – daran erinnern, dass erzählt wird, dass es das gibt. Statt im Leid zu erstarren, «höre» ich meinen Namen, ich nehme mich wahr – und kann mich wieder bewegen, umdrehen, hinwenden, ich kann mich wieder zuwenden, vielleicht dem Garten, einem Menschen und mir selbst.