Auf der Suche nach Heimat

Bericht aus Jerusalem

Auf der Suche nach Heimat

Ausländische Arbeiterinnen in Israel erhalten in der Regel ein Visum für fünf Jahre, verlieren ihren Aufenthaltsstatus aber, wenn sie Mütter werden.

Von diesem Moment an gelten sie und ihre Kinder als illegal. Sie kommen aus den Philippinen, Indien oder Sri Lanka, einige von ihnen sind katholisch, und ihre Kinder sprechen hebräisch, da hier geboren und aufgewachsen. Sie werden oft nicht in eine feste Beziehung geboren, oder ihre Väter sind als Arbeitsmigranten ebenfalls von Abschiebung bedroht, illegal oder bereits nicht mehr im Land.

Pater Piotr Zelazko, Leiter des Vikariates für hebräischsprachige Katholiken im Heiligen Land, steht auf der Bühne und wedelt mit einem Pass. «Dieser Pass», sagt er, «schenkt Identität und Freiheit, etwas, wovon hunderte Kinder in Israel tagtäglich träumen.» Er meint die illegalen Migrantenkinder – etwa 1600 – die in Israel ohne rechtlichen Status leben.

Mit dem Musical «Ruth» der österreichischen Komponistin Birgit Minichmayr machen 30 von ihnen auf ihre ungewisse Zukunft aufmerksam. Sie tanzen und singen die biblische Geschichte von Ruth, der Moabiterin, die sich nach dem Tod ihres Mannes mit einem Schwur an die nun kinderlose Schwiegermutter Noomi bindet. Ruth begleitet Noomi zurück in deren Heimat Bethlehem. Schliesslich wird sie als vollwertiges Mitglied des jüdischen Volkes anerkannt und zur Urgrossmutter König Davids – und damit zu einer der Stammmütter Jesu. 

Die Geschichte von Ruth hat das Happy End, von dem viele Migrantenkinder träumen. In Briefen, eingebettet in das biblische Musical, erzählen sie von ihren Ängsten und Hoffnungen. «Ich habe Angst, dass sie mich und meine Familie erwischen und uns auf die Philippinen schicken», beschreibt der 16-jährige Adam die allgegenwärtige Furcht vor Abschiebung. «Ich liebe dieses Land und ich kenne nichts anderes»: so oder ähnlich heisst es in jeder ihrer Geschichten.

Die Aufführungen von Ruth fallen in die Sommerferien – für die Migrantenkinder ein nervenaufreibendes Versteckspiel. Denn laut einem stillen Abkommen sollen Kinder nicht während der Schulzeit abgeschoben werden. Daher sind die Mitglieder der katholischen Jugendbewegung «Wüstenblume» aus Haifa, Jerusalem, Tel Aviv und Beerscheba wohl die Einzigen, die sich das Ende des Sommers herbeisehnen. 

Kinder und Jugendliche sind diejenigen, die unter den prekären Lebensbedingungen und der fehlenden Rechtssicherheit am meisten leiden, sagt auch Benediktinerpater Nikodemus Schnabel, als Patriarchalvikar mit der katholischen Migrantenseelsorge im Heiligen Land betraut. «Sie wachsen in Umständen auf, in denen sie von allen Seiten erfahren: Du gehörst nicht dazu. Sie erleben sich als Problem. Wir versuchen ihnen zu zeigen, dass ihnen die Welt gehört, eine globalisierte Welt, in der nicht die Herkunft, sondern Kompetenzen zählen – und unterstützen sie hierbei konkret.»

Die israelische Öffentlichkeit bekommt von den Schwierigkeiten der «illegalen» Migrantenkinder allenfalls die Schlagzeilen mit, wenn wieder einmal einer Mutter und ihren Kindern die Abschiebung droht. Mit «Ruth» wollen die Jugendlichen der «Wüstenblume» eine breitere Öffentlichkeit auf ihre Situation aufmerksam machen. Weitere Aufführungen, darunter an israelischen Schulen, sollen für die Problematik sensibilisieren. «Bei dem Musical mitzumachen, bedeutet für mich, zu zeigen, wer ich 
bin und wer wir sind», formuliert es eine der Jugendlichen.

Text: Andrea Krogmann