Nachhaltiger Zufall

Leben in Beziehung

Nachhaltiger Zufall

Seit wir Foroglio verlassen hatten, waren etwa drei Stunden vergangen. Ein wunderschönes Dorf mit etwa 500 Einwohnern, eingebettet in den Bergen des Bavonatals im Tessin. 

Auf meinen Schultern trug ich den Rucksack mit allem, was ich für eine dreitägige Wanderung brauchte. Unser Ziel war eine kleine Hütte bei den Cròsa-Seen in etwa zweitausend Metern Höhe. Dort wollten wir die Nacht verbringen und in den folgenden Tagen weitere Ausflüge zu den umliegenden Gipfeln unternehmen.

Der Weg war technisch nicht besonders anspruchsvoll, aber das zusätzliche Gewicht des Wanderrucksacks war doch zu spüren und ich merkte, dass ich eine Pause brauchte. Wir suchten also einen geeigneten Platz, um im Schatten zu sitzen und etwas Wasser zu trinken.

Ein schöner Weg mit weiten Aus-blicken auf das Val Calnègia, eine unglaubliche Natur, die sich mit zunehmender Höhe rasch veränderte und ein wenig an eine Landschaft aus einem Tolkien-Roman erinnerte. Das Speziellste an der Strecke waren sicherlich die in die Bergwand gehauenen Granitstufen, auf denen wir uns gerade befanden. Dort, am Rande des Felsens sitzend, mit der frischen Luft im Gesicht, war ich einige Minuten lang in Gedanken versunken. Die Ruhe der Berge umhüllte mich, und ich fühlte mich lebendig und sehr glücklich. Ich fragte mich, wo das alles seinen Ursprung hatte und wie ich meine mitreisenden Freunde kennengelernt hatte.

Mathias, mein jetziger Mitbewohner, war der Erste, den ich kennengelernt habe. Ich erinnere mich, wie wir im zweiten Jahr des Studiums für die Laborpraktika mit jemandem zusammenarbeiten mussten. Der Zufall wurde für mich zum Glücksfall, denn ich kannte nur wenige Leute und nicht gut genug, um sie als Arbeitspartner zu wählen. Also wurde ich einem anderen Studenten ohne Partner zugeteilt, und so lernte ich Mathias kennen. Wir hatten damals nicht besonders viel gemeinsam, aber wir arbeiteten gut zusammen und gewannen allmählich eine gegenseitige Sympathie füreinander.

Wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass dieser Praktikum-Kollege später mein Mitbewohner und ein guter Freund sein würde und ich mit ihm, sowie anderen gemeinsamen Freunden, sogar Urlaub machen würde,  ich hätte es nicht geglaubt. Es ist fantastisch, zu erkennen, wie glücklich ich mich schätzen kann. Seit meiner Ankunft in Zürich habe ich so viele gute Menschen kennengelernt. Daraus wurden Freundschaften, die auch nach vielen Jahren immer noch wachsen und stärker werden.

Die Pause war vorbei, wir setzten unseren Weg fort. Ich wusste nicht genau, was in den nächsten Stunden auf mich zukommen würde, aber wenn ich meine bisherigen Überlegungen als Analogie nehmen konnte, war ich ruhig und zuversichtlich, dass es etwas gleichermassen Aufregendes wie Gutes sein würde.

Text: Sebastián Guerrero