«Wir brauchen neue Regelungen»

Interview

«Wir brauchen neue Regelungen»

Der Schweizer Synodenbericht ist in Rom angekommen. Bischof Felix Gmür, Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, will sich für Gleichberechtigung in der Kirche starkmachen – aber nicht im Alleingang.

Bischof Felix Gmür, gibt es im Synodenbericht Themen- und Fragenkreise, die Sie überrascht haben?

Bischof Felix Gmür: Nein. Ich war ja von Anfang an am Prozess beteiligt. Wir Bischöfe haben ihn lanciert, und dann war ich bei verschiedenen Gesprächen bis hin zur Schlussversammlung in Einsiedeln immer wieder dabei – und ganz Ohr. Die Verantwortlichen der Bistümer, der Landeskirchen, von Vereinigungen, Verbänden und Universitäten waren dabei. Das ist das Schöne: Wir waren alle involviert und wir wissen voneinander.

Es geht unter anderem um Gleichberechtigung von Frauen, den Einbezug von queeren Menschen oder um Klerikalismus, wenn beispielsweise Priester oder andere kirchliche Instanzen etwas durchsetzen wollen, ohne andere einzubeziehen. Wie reagieren Sie auf diese Themen?

Ich reagiere nicht, ich agiere. Weil diese Themen drängend sind, haben wir ja diesen synodalen Prozess lanciert. Im Bistum Basel sind wir seit langem synodal, in gemeinsamen Entscheidungsprozessen, unterwegs. Ein wichtiges Thema aus der Befragung bei uns war die Notwendigkeit einer Ombudsstelle. Daran arbeiten wir. Aber solche Prozesse brauchen ihre Zeit. 

Und auf der schweizerischen Ebene, was packen Sie jetzt an? 

Im Schlussbericht geht es auch um Fragen der Liturgie, um die Frage, wo es Orte gibt, wo wir das tun, was der Papst «hören auf den Heiligen Geist» nennt. Wir sind ziemlich stark auf strukturelle Fragen fokussiert. Und es gibt ein gros-ses Vertrauen, dass Strukturen dann auch Haltungen ändern können. Da bin ich mir zwar unsicher, aber darüber kann man diskutieren. Und das tun wir nun mit synodalen Begleitgruppen in den einzelnen Bistümern und auf schweizerischer Ebene. Diese vertiefen die Themen, schlagen Haltungen und Vorgehensweisen vor für Strukturänderungen. 

Welche Rolle haben Sie als Präsident der Bischofskonferenz in diesen Prozessen?

Meine Rolle ist es, die genannten Probleme und Fragestellungen aufzuzeigen und in der kontinentalen Phase, die nun kommt, diese einzugeben. Zum Beispiel die Frage nach der Rolle der Frauen.

Also die Frage nach der Gleichberechtigung der Frauen.

Es gibt auch die Frage nach der Gleichberechtigung des verheirateten Mannes, des geschiedenen Mannes oder der geschiedenen Wiederverheirateten. Dass das bei uns ein Anliegen ist, hier andere Regelungen zu finden, das gebe ich an der kommenden europäischen Bischofssynode ein. 

Sie geben also das Anliegen in die Beratungen. Machen Sie auch Vorschläge für mögliche Lösungswege?

Für mich ist die Frage der Sakramente zentral. Wir müssen sicherstellen, dass diese weiterhin Quelle und Vollzug des Glaubens sein können. Dazu brauchen wir Menschen, die befähigt sind und geweiht werden, um die Sakramente zu spenden. Bis jetzt sind das zölibatäre Männer, verheiratete Diakone sind zur Taufe und Assistenz bei der Eheschliessung befähigt. Aber ich sehe keinen Grund, wieso das nicht auch Frauen sein können. 

Ein weiteres Anliegen ist der Einbezug von Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung, u. a. in Bezug auf die Zulassungsbedingungen zur Missio, der kirchlichen Beauftragung. 

Das diskutieren wir bereits in der Deutschschweizerischen Ordinarienkonferenz (DOK). Die Schwierigkeit besteht darin, eine neue Regelung auf Papier zu bringen. Ausser man sagt, es gibt keine Regeln. 

Das deutsche Bistum Hildesheim hat diesbezüglich die Regelung geändert. 

Ja, aber nur für jene Personen, die in katholischen Spitälern und Schulen arbeiten, nicht für Priester, Seelsorgerinnen und Seelsorger. Wir haben in der Schweiz gar keine kirchlichen Angestellten in Schulen oder Spitälern, und wenn, dann ohne Missio. Was Hildesheim eingeführt hat, gilt bei uns bereits. 

In welche Richtung geht die Diskussion bezüglich Missio für Seelsorgende in der Deutschschweizerischen Ordinarienkonferenz?

Ich kann nicht vorhersagen, was rauskommt. Ich weiss nur, dass es schwierig ist. Denn die Frage ist: Wo ist die Grenze? Wir überlegen uns einen an-gemessenen Umgang. Mir persönlich ist das päpstliche Schreiben Amoris Laetitia ein Leitfaden. Der Papst spricht dort von Gradualität: Es gibt einen geistlichen Fortschritt, nicht nur die aktuell vorliegende Situation. Eine Regelung, die heute stimmt, kann sich auch ändern und dann genauso stimmig sein. Der Papst fordert von uns Reflexion und Eingehen auf den Menschen vor uns. 

Wären Sie bereit, falls sich in der Ordinarienkonferenz keine Lösung abzeichnet, in Ihrem Bistum auch im Alleingang eine neue Regelung einzuführen?

Ich bin kein Fan von Alleingängen. In der kleinräumigen Schweiz ist das auch nicht zielführend. Die Diözese Chur sollte eine ähnliche Praxis haben wie Basel oder Sankt Gallen. Die Bischofskonferenz ist langsam, aber wir versuchen einen Konsens zu finden, wo alle dahinterstehen können. Alleingänge befördern Spaltungen und damit Unzufriedenheit. 

Keine Lösung würde allerdings zu grosser Enttäuschung führen, denn mit dem Synodalen Prozess, der Befragung der Gläubigen, wurden auch Erwartungen geweckt. 

Ist es denn wirklich so: werden veränderte Strukturen meinen Glauben zum Positiven verändern? Kann ich nur glauben, wenn die Strukturen stimmen, und sonst nicht? 

Viele Gläubige sind zerrissen, da sie sich nicht mehr eins fühlen mit ihrer Kirche. Sie werden weiterhin glauben, aber ausserhalb der Kirche. 

Ja, diese Gefahr besteht. Man darf aber auch Teil der Kirche sein, ohne hundertprozentig mit allem einverstanden zu sein. 

Zurück zur bevorstehenden kontinentalen Bischofssynode: Besteht die Chance, dass dort auch Frauen Stimmrecht haben werden?

Das weiss ich nicht. Aber das ist zum Beispiel etwas, was für mich wichtig wäre. Auch an der Weltbischofssynode im Herbst 2023. Dass man da die Zusammensetzung ändert. Damit es nicht mehr nur eine Bischofssynode ist, sondern eine Synode von gläubigen Menschen verschiedener Länder.

Bischof Felix Gmür, vielen Dank für dieses Gespräch.
Text: Beatrix Ledergerber