Die sanfte Melodie des Trostes

Kultur

Die sanfte Melodie des Trostes

Mit Reinhard Mey verbinden viele humorvolle, tiefsinnige Lieder. Weniger bekannt ist seine Beschäftigung mit der Vergänglichkeit. Eine Würdigung zu seinem 80. Geburtstag.

An einem seiner Konzerte erzählt Reinhard Mey, was ihn bewegt, Sterben und Tod in seinen Liedern zu thematisieren. Er sagt, einfach und klar: Das Leben ist kostbar. Es ist liebenswert. Und es lohnt sich, sich die eigene Begrenztheit immer wieder vor Augen zu halten. Um den Tod in seinen Liedern zu beschreiben, bedient sich der Chansonnier dann traditioneller Bilder. Zum Beispiel in «Lass nun ruhig los das Ruder» und «Eh meine Stunde schlägt» spricht er vom Lebensschiff, das auf seiner letzten Fahrt den Lebenshafen ansteuert. Mey beschreibt den Tod nicht als Qual oder Strafe, sondern als ersehntes Ziel einer manchmal anstrengenden Reise. Der Tod bedeutet für ihn Erlösung und Erfüllung.


Frühe Leidenschaft für die Musik

Reinhard Mey wird am 21. Dezember 1942 in Berlin geboren. Bereits als Schüler entdeckt er seine Leidenschaft für die Musik. Nach einer Lehre als Industriekaufmann widmet er sich ganz der Musik. Seine ersten Erfolge feiert er in Frankreich, wo er viel früher als ernstzunehmender Chansonnier anerkannt wird als in Deutschland. Den grossen Durchbruch erlebt er 1971 mit dem Titel «Der Mörder ist immer der Gärtner». Kultstatus im deutschsprachigen Raum erreicht er dann mit seinem Lied «Gute Nacht Freude» (1972) sowie mit dem Lied «Über den Wolken» (1974). Jene Lieder, die sich mit dem Tod und dem Leiden auseinander-setzen, kommen humorvoll, aber sehr nachdenklich und tiefsinnig daher und sind durch eine persönliche Note geprägt. Den frühen Tod seines Sohnes Maximilians (1982 bis 2014) greift er im Lied «Dann mach’s gut» auf.


Der Tod als Bestandteil des Lebens

Da der Tod als fester Bestandteil zum Leben gehört, ist die berechtigte Reaktion Trauer, aber nicht Bitterkeit – wie Reinhard Mey findet: «Nein, hadern dürfen wir nicht, doch wir dürfen weinen», singt er im Lied «Lass nun los das Ruder». Oder im Lied «Abschied», in dem er festhält, dass das Leben einem festen Kommen und Gehen unterworfen ist: «Doch das Leben ist wie ein reissender Fluss, der mich weitertreibt, der nie stehen bleibt – und erreich’ ich ein Ufer – komm’ ich doch nur zum Schluss – dass ich weitergehen muss.» 

Reinhard Mey wünscht sich ein selbstbestimmtes Sterben, weil ihm ein freiheitliches Leben wichtig ist. Unbeantwortet lässt er die Frage nach einem möglichen Dasein nach dem Tod, spielt allerdings häufig mit dem Motiv des «Fegefeuers». Das mag für ihn reizvoll sein, weil er von der grundsätzlichen Fehlbarkeit des Menschen ausgeht: Der Mensch ist weder abgrundtief schlecht noch himmlisch unfehlbar.


Berührende Solidarität

Berührend finde ich, dass Reinhard Mey beschreibt, wie er einen geliebten Menschen bis zu seiner Sterbestunde begleitet, im Lied «Nein, ich lass dich nicht allein». Wie schmerzlich der Wunsch ist, den geliebten Menschen festhalten zu wollen, kommt in «Dann mach’s gut» zum Ausdruck. In diesen und so manchem weiteren Vers gelingt es Reinhard Mey, mich zu trösten – auch in meinen eigenen Erfahrungen von Abschied, Los-lassen und Trauer.

Text: Manfred Kulla, Diakon in der Pfarrei Herz Jesu Oerlikon