Sakrament Teddybär

Zusammen feiern? – Sakramentalität (Beitrag 1/5)

Sakrament Teddybär

Als Frau S., nennen wir sie jetzt einmal so, ins Altersheim umzog, wollte sie unbedingt zwei Teddybären mitnehmen. 

Zwei alte, abgeschabte, etwas schmutzige Teddybären, einer kleiner, der andere grösser. Als Seelsorgerin half ich Frau S. beim Umzug und dabei, dass ihr Zimmer doch noch etwas heimelig wurde. Eineinhalb Jahre ist das nun her. Und seitdem besuche ich sie regelmässig.

Bei jedem Besuch wieder neu zeigt mir Frau S. die beiden Teddybären. Dazu erzählt sie mir etwas aus deren Geschichte. Das geht dann in etwa so: «Schauen Sie, der kleine Teddy auf meinem Nachttisch, er hat sogar einen Buckel. Aber ich habe ihn ausgewählt, als ich um meinen fünften Geburtstag herum mit meinem Vater in ein Spielwarengeschäft gehen durfte, um selber ein Spielzeug auszusuchen. Der Teddy hat mir leidgetan, und ich getraute mich damals auch nicht, einen grösseren auszuwählen. Er gefiel mir aber auch wegen seines grünen Halsbandes. Mein Vater hingegen war etwas enttäuscht von meiner Wahl. Dann kam Weihnachten zu Beginn des Zweiten Weltkriegs, und wer sass da unter dem Christbaum? Dieser grosse Teddy, der hier in meinem Sessel thront! Ich hatte damals keine Augen mehr für etwas anderes und war so glücklich!» 

Jedes Mal leuchten die Augen von Frau S. dabei wie zwei Sterne. «Meine Mama hat dieses Jäckchen und die Strumpfhose für den Teddy gestrickt», erzählt sie weiter, und weiter: «Ich weiss schon, die beiden Teddys sind nicht mehr die schönsten, man müsste sie einmal waschen und sieht ihnen das 
Alter an. Aber die beiden begleiten mich bis heute.» 

Wie oft ich die Geschichten von den Teddybären schon gehört habe, weiss ich nicht mehr – aber, sie berühren mich immer noch tief. Ich erinnere mich dann wieder an die Vehemenz von Frau S., die die beiden Bären unbedingt ins Alterszentrum mitnehmen wollte, und freue mich an ihren leuchtenden Augen. Sonst schauen diese nämlich meist traurig und spiegeln ihre Einsamkeit wider. 

Warum ist das möglich? Die Bären erinnern Frau S. offenbar an die Liebe ihres Vaters, der im Krieg gefallen ist, kurz nachdem er ihr die Bären geschenkt hatte – und an die Fürsorge ihrer Mama, die sie dann allein grossziehen musste. 

Es gibt sichtbare Zeichen für eine unsichtbare Wirklichkeit. In unserer kirchlichen Tradition nennen wir sie Sakramente. Sie vergegenwärtigen sichtbar die unsichtbare Liebe Gottes, nähren und stärken unseren Glauben. Sie sind heilig und in der katholischen Kirche immer noch offiziell an den Priester gebunden. 

Und dann gibt es in unserer Tradition noch etwas: die Sakramentalien. Das sind einfache, alltägliche Zeichen oder Gesten, mit denen wir unser Leben Tag für Tag heiligen. Auch sie erinnern an die unsichtbare Liebe Gottes. Sie dürfen auch offiziell von allen Getauften gepflegt werden: Plüschbären können so zu Sakramentalien werden.

Mir scheint, für Frau S. sind ihre beiden Bären heilige, sichtbare Zeichen der unsichtbaren, liebenden Gegenwart ihrer Eltern. Und die hat sie sehr nötig, sie geben ihr Kraft für ihr mühsames und sehr einsames Altwerden. Für mich sind sie darum heilig, weil sie Frau S. 
einen Moment der kindlichen Unbeschwertheit und ein Gefühl des Geliebt-Seins schenken. Für uns beide sind die beiden Bären zu einem sakramentalen Zeichen geworden, das uns verbindet, weil wir beide seine tiefere Bedeutung spüren. Für andere bleibt dieses Zeichen in den schmutzigen, abgeschabten Plüschtieren unsichtbar. 

Ich bin froh, haben wir sie damals beim Umzug ins Alterszentrum nicht entsorgt.

Text: Claudia Gabriel, Seelsorgerin am Kantonsspital Winterthur und im Alterszentrum Oberi