Friede ist nicht gratis

Editorial

Friede ist nicht gratis

Mein ganzes Leben lang waren Kriege weit weg und Europa schien endlich begriffen zu haben, dass Kriege am Ende immer nur Zerstörung, Leid und Verlierer zurücklassen.

Ich habe zwar erfahren, dass immer irgendwo auf der Welt Menschen unter Krieg leiden und im Krieg getötet werden. Aber ich war streng genommen bloss ein interessierter Mensch, der Zeitung liest und Fernsehen schaut. Ich war Pazifist – aber mein Pazifismus hatte keinen Preis.

Nun herrscht in Europa wieder Krieg. Von einem Diktator entfesselt, der machtbesessen und vielleicht eiskalt agiert, aber ganz bestimmt nicht von kühler Logik und historischem Bewusstsein geleitet wird. Wenn er nüchtern wäre, wüsste er, dass der Aggressor am Ende immer untergeht.

Und wieder wird mein Friede von Waffen geschützt. Muss ich dankbar sein, dass dem Wahnsinn mit Gewalt begegnet wird. Gilt es den Schock auszuhalten, dass einem blindwütigen Zerstörer das christliche Angebot zur Gewaltfreiheit völlig egal ist.

Es braucht immer mindestens zwei zum Streiten, sagen wir. Es braucht aber genauso mindestens zwei Seiten zum Frieden! Und wenn eine Seite einfach nicht will, was können die Religionen, die alle so gerne über den Frieden predigen, dann noch ausrichten? – Sie könnten endlich selbst in Frieden zusammenleben und auch zusammen beten. Sie müssten der Religion als Kriegsgrund jede Legitimation verweigern. Wenn Pazifismus eine Option sein soll, dann kann das nur ein Pazifismus sein, der von allen Religionen gemeinsam gelebt und gefordert wird.

Text: Thomas Binotto