Zum Leben verhelfen

Editorial

Zum Leben verhelfen

An Allerheiligen bin ich dieses Jahr ganz zufällig immer wieder auf Hebammen gestossen.

Angefangen hat es am frühen Morgen mit einem lustigen Halloween-Gruss der Freundin unseres Sohnes, mitten in ihrer Nachtschicht als Hebamme. Auf meinen Dank antwortete sie erst gegen neun Uhr: sie habe ihre Schicht verlängert, in der Hoffnung, bei der Geburt noch da zu sein. «Aber es ist viel länger gegangen und so habe ich an die Kollegin abgegeben.» Ja, das Leben lässt sich nicht planen, bleibt immer wieder eine Überraschung, oft auch Mühsal, und zuletzt einfach nur ein Wunder.

Im Laufe des Tages bekomme ich ein Video zugeschickt: Bilder von Menschen in einer weiten, hellen Natur, mit Musik unterlegt. Beim zweiten Wort erkenne ich die Stimme von Papst Franziskus. «Die Heiligen sind keine Supermenschen», sagt er, sondern «Menschen wie wir, mit Freuden und Leiden, Mühen und Hoffnungen.» Ihr Leben verändert habe die Begegnung mit der Liebe Gottes, der sie von ganzem Herzen gefolgt seien. Dabei bleiben Schwierigkeiten und Widerstände, die aber im Annehmen dazu führen, dass diese Menschen Frieden und Freude verbreiten. «Heilig sein ist nicht ein Privileg für wenige, sondern eine Berufung für alle.» Irgendwie kommt mir der Papst da gerade wie eine Hebamme vor. Er hebt neues Leben hervor. Kein Leistungs-Christentum, sondern ein «ganz normales Leben», mit Freuden und Leiden, zuletzt ein Wunder. 

Am Abend in der Tagesschau überrascht mich ein Beitrag über «Sterbe-Hebammen». In Genf gibt es dazu eine Ausbildung, und es könnte ein neuer Beruf daraus entstehen. Menschen, die Sterbende begleiten, nicht als Pflegefachkräfte, sondern als aufmerksam Zuhörende. Sie helfen je nach Wunsch mit Musik, leichten Massagen, Gesprächen, im Dasein. Die Bilder lassen mich erahnen: Auch im Sterben kann zu neuem Leben verholfen werden. Nicht planbar, nicht ohne Mühe und Trauer. Und doch ein Wunder. 

Text: Beatrix Ledergerber