Erinnerung an meinen Vater

Zusammen feiern? – Sakramentalität (Beitrag 3/5)

Erinnerung an meinen Vater

Vor genau drei Monaten ist mein lieber Vater gestorben. Er litt an einem Hirntumor. In seinen letzten zwei Monaten verlor er zunehmend die Worte. 

Die Kommunikation wurde für ihn und für uns anspruchsvoller und sein Gang immer unsicherer. Bis zum Tod behielt er seinen Humor und bis fast zuletzt auch seine Tatkraft. Im April noch sägten wir zu dritt mit Miguel – einem Firmbegleiter, der Forstwart ist – zehn grosse Baumstämme, beim Ferienhaus oberhalb vom Walensee. Wir wollten Holz für die kommenden Winter einlagern. 

Während Miguel mit der Motorsäge die Stämme in Rugel portionierte, rollte mein Vater in seiner blauen Arbeitshose die Holzrugel dem Hang entlang. Gemeinsam schichteten wir sie wortlos aufeinander zu einer beachtlichen Beige. Letztes Wochenende spaltete ich mit der Spaltmaschine das Holz für diesen Winter.

Warum erzähle ich Ihnen das? Die Holzbeige meines Vaters ist mir Sakrament. Ein Sakrament ist ja ein Zeichen oder eine Handlung, die mir die eigentlich unsichtbare Liebe Gottes sinnlich erfahrbar macht. Beim Betrachten der Holzbeige, beim Spalten der Rugel, beim Einlegen der Scheite in den Schwedenofen spüre ich die Liebe, den Geist, die Nähe meines Vaters. Ich höre seine Stimme, sein Lachen. Der Duft des Holzes weckt in mir Erinnerungen an Mani-Matter-Lieder, die er uns vier Kindern mit seiner Gitarre jeweils abends am Bett sang. Etwas Sinnliches erschliesst mir etwas Unsichtbares. Das sichtbare Holz lässt mich den Optimismus und die Melancholie meines jetzt unsichtbaren Vaters hier und jetzt erfahren.

Genau so – ahne ich – ist es, wenn zwei Menschen ihre Liebe bei der Hochzeit vor ihren Freundinnen, Freunden und vor Gott bekunden; in dem Augenblick vor diesen Menschen – und später vielleicht immer wieder neu – Ja zueinander sagen. In der Liebe zwischen zwei Menschen werden Wesensarten Gottes sichtbar und erfahrbar: Lust, Zärtlichkeit, Leidenschaft, Freundschaft, Treue, Schönheit und Gemeinschaft. 

Das Ur-Sakrament ist Jesus von Nazareth. In ihm wurde der geheimnisvolle, unfassbare Gott den Menschen nahe und sinnlich erfahrbar. Wenn wir seine Worte meditieren, über sie nachdenken, sie im Alltag versuchen zu leben oder wenn wir Brot und Wein miteinander teilen und dabei für unser Leben danken, erfahren wir hin und wieder Trost, neue Kraft und Inspiration, Liebe, Verständnis und ein wunderbares Geborgensein.

In solchem Geborgensein sitze ich gerade dankbar am Feuer aus Holz aus der Holzbeige meines Vaters. 

Text: Mathias Burkart