Schenken ist nicht umsonst

Reportage

Schenken ist nicht umsonst

Kinder und Jugendliche machen sich Gedanken, was Schenken für sie 
und andere bedeutet – und werden aktiv.

Das Klassenzimmer der zweiten Sek der Freien Katholischen Schule in Wiedikon ist heute die Zentrale eines Kleinunternehmens. An der Wandtafel stehen Wörter wie «selling product» und «target», daneben Berechnungen, wie viele Säckli Weihnachtsguetzli à wie viel Gramm 
zu welchem Preis welchen Gewinn erzielen, im Vergleich zu den Ausgaben, die ebenfalls aufgelistet sind. Auf der anderen Seite der Wandtafel sind die Schülerinnen und Schüler in die Bereiche «Küche», «Verpackung» und «Verkauf» eingeteilt, und in jeder Gruppe gibt es eine 
«Bereichsleitung».

Vier Jungs sitzen in einer Reihe in der Schulbank und packen verschiedene Sorten der Guetzli ab, wägen die Portionen und geben sie in die hintere Reihe, wo sie eine farbige Schlaufe bekommen. Immer mal wieder kommt jemand mit einer Schüssel frischer Plätzchen aus der Küche oder ein Verkaufsteam holt sich Nachschub. Zwei Stockwerke weiter unten in der Schulküche werden Teig ausgewallt, Guetzli ausgestochen, Bleche in den Ofen geschoben oder vors Fenster zum Auskühlen gestellt und wenn nötig eine Abordnung zum Einkaufen von zusätzlichem Teig oder Eiern losgeschickt.

Klassenlehrer Fabio Montini steht in aller Ruhe mal im einen, mal im anderen Zimmer, nimmt die Kassenzettel der Einkäufe entgegen und behält im Auge, welches Verkaufsteam gerade wo unterwegs ist. «Es funktioniert wunderbar, die Schülerinnen und Schüler unterstützen sich gegenseitig, sie sind sehr selbständig», sagt er stolz. «Ich habe grosses Vertrauen in diese Klasse.»

Kleinunternehmen im Klassenzimmer

Allerdings geht es bei diesem Kleinunternehmen nicht um ein Projekt im Rahmen des Wirtschaftsunterrichtes. «Wir haben uns Gedanken zum Thema Schenken gemacht», erklärt die 13-jährige Nayla. «Viele Leute denken, ein tolles Geschenk müsse auch teuer sein, z. B. ein Handy. Aber für mich geht es bei einem Geschenk nicht um den Wert oder den Gegenstand, sondern was dahinter steckt. Ich verbinde ein Geschenk mit der Freude, die es bereitet.» Auch der 14-jährige Valerio findet: «Ein Geschenk sollte persönlich sein und es soll eine Idee dahinterstecken, nicht einfach Geld oder ein Gutschein.» Und so hatte die Klasse zum Thema «Geschenk» auch bald eine Idee: «Wir wollten am liebsten selber jemanden beschenken», sagt Nayla. «Und da wir Kinder sind, wollten wir etwas für andere Kinder machen», ergänzt Valerio. «Uns geht es ja so gut, aber es gibt Kinder, denen es gar nicht gut geht.»

So sind sie auf die «Kinderhilfe Sternschnuppe» gestossen, die Kindern mit Krankheiten oder Behinderungen Herzenswünsche erfüllt oder ihnen und ihren Familien ein paar unbeschwerte Stunden ermöglicht. «Diese Aktion macht richtig Spass», sagt Nayla.  «Es ist schön zu sehen, wie sich alle beteiligen. Und auch toll, mal was anderes neben dem Unterricht gemeinsam zu machen.» Auch Valerio ist begeistert: «Es ist richtig super, sich alle diese Überlegungen zu machen und sie dann umzusetzen. Wir haben falsch berechnet, wie viel Teig wir brauchen, daher mussten wir heute schon nachkaufen. Am meisten freut mich, dass wir den Kindern eine Freude bereiten können. Und denen, die Guetzli kaufen, ja auch.»

Mit einem Einhorn im Arm ...

Schenken und beschenkt werden – diese Freu--de erleben auch die Kinder, die an der Geschenktausch-Aktion von «youngCaritas Zürich» teilnehmen. Sie brachten zwei Spielsachen an die verschiedenen Sammelstellen und bekamen dafür einen Gutschein, mit dem sie sich am Tauschtag ein Spielzeug aussuchen konnten. Kinder aus armutsbetroffenen Familien bekamen von Jugend- und Sozialarbeitenden, Lehrpersonen oder Seelsorgenden ebenfalls einen Gutschein und kommen so zu einem Weihnachtsgeschenk.

Stefan Fontanellaz, Jugendarbeiter der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Zürich Kirchenkreis zwei, freut sich sehr, dass nach der Corona-Pause nun wieder Kinder am Tauschtag vom 30.  November das Zentrum Hauriweg beleben. Der Duft von frischen Mandarinen und Kuchen liegt in der Luft. Ein Mädchen mit schwarzen Locken umarmt ein  schmuseweiches Plüsch-Einhorn, das grösser ist als sie selbst. Ein kleiner Bub flitzt mit einem Bobbycar durch den Saal. Oben auf der Bühne sind viele Spielsachen aufgebaut. Darunter an einem Tisch nimmt Fontanellaz die Bons entgegen, worauf die Kinder auf die Bühne dürfen, wo eine Kollegin für den geordneten Ablauf des Spielzeug-Auswählens sorgt. An verschiedenen Tischen spielen Kinder schon mit neu erstandenen Herrlichkeiten, malen Dekorationen oder geniessen mit Mama oder Papa Kuchen und Sirup. «Die armutsbetroffenen Kinder sind hier nicht ausgestellt, wie alle anderen haben sie einen Gutschein und können sich ein Geschenk aussuchen», sagt Fontanellaz. Die Zusammenarbeit im Vorbereitungsteam der Kirchgemeinden und der Schulsozialarbeit sei eingespielt und mache Freude.

In Wiedikon schreibt Lehrer Montini am Nachmittag der Guetzli-Aktion: «Wir haben circa 70 bis 80 Packungen verkauft und 440 Franken eingenommen. Noch 76 Packungen sind vorbereitet, die verkaufen wir morgen.» Das an der Wandtafel festgehaltene Unternehmensziel von 500 Franken wird somit übertroffen werden. Die «Kinderhilfe Sternschnuppe» kann damit für ein Kind mit einer Krankheit oder Behinderung bestimmt einen «Stern vom Himmel holen», wie sie es nennen: einen Herzenswunsch erfüllen.

Text: Beatrix Ledergerber