«Ein Gefühl von Heimat»

Reportage

«Ein Gefühl von Heimat»

Am Dreikönigstag im Januar feierten viele Ukrainerinnen und Ukrainer Weihnachten – auch in Zürich.

Aleksandra und Karyna, zwei junge Ukrainerinnen, stellen am Nachmittag des 6. Januar in der Kirche St. Peter und Paul vier kleine Christbäume auf und ordnen deren vielfältigen Schmuck. Sie haben die Bäumchen bereits im Advent betreut, als sie vor verschiedenen Pfarreien standen. Der von ukrainischen Flüchtlingen gebastelte Baumschmuck konnte getauscht werden und kam so in viele Fa-milien, zum Zeichen der Verbundenheit.

Dann beginnt der Gottesdienst, eine griechisch-katholische Weihnachtsvesper. Die Menschen trudeln langsam ein: Familien mit Kindern, die erstaunlich friedlich die lange, gesungene Liturgie mitmachen, leise für sich etwas spielen oder einfach die Nähe der Eltern geniessen. Vor allem Frauen, aber auch einige Männer sind hier. Der kleine Chor singt abwechselnd mit dem Priester mehrstimmig alle Gebete auf Ukrainisch. Hie und da tupft sich jemand Tränen aus den Augen. Ab und zu singen die Menschen mit, vor allem am Schluss ein offenkundiges Weihnachtslied.

Heute ist für viele Ukrainerinnen und Ukrainer Heiligabend, entsprechend dem julianischen Kalender, dem die orthodoxen Kirchen folgen. Die griechisch-katholische oder «unierte» Kirche feiert teilweise ebenfalls am 6.  Januar Weihnachten, teilweise auch am 24. Dezember. «Viele feiern einfach zweimal», erklärt der griechisch-katholische Priester Ivan Machuzhak, der sich in Zürich um die Flüchtlinge kümmert.

Am Schluss des Gottesdienstes holen alle ein Stück des gesegneten Brotes, und draussen vor der Kirche schöpfen Aleksandra und Karyna Punsch oder Glühwein. Spontan stimmt jemand ein Lied an, viele stimmen ein. Später wird ein ukrainisches Gedicht rezitiert, wieder und wieder singen die Menschen ihre Weihnachtslieder. Spontan ist hier ein ukrainischer Weihnachtsbrauch lebendig geworden: «Kolyaduvaty», das gemeinsame Singen von Weihnachtsliedern, nicht nur in der Stube mit An-gehörigen, sondern draussen auf den Strassen und Plätzen.

«Es tut mir gut, dass ich bei dieser Feier mithelfen kann», sagt Aleksandra. Die 21-Jährige lebt mit ihrer Freundin Karyna seit kurzem in einer eigenen kleinen Wohnung. Beide studieren online an ihrer ukrainischen Universität Tourismus  und Management. «Diese Weihnachtsfeier gibt uns das Gefühl von Heimat», sagt Karyna.

Der Gottesdienst sowie die Christbaumschmuck-Tausch-Aktion wurde von «Katholisch Stadt Zürich» organisiert, ebenso wie eine Wallfahrt für ukrainische Flüchtlinge nach Lourdes, zusammen mit dem Priester Ivan Machuzhak. «Sie dorthin zu begleiten und zu sehen, wie sie ihrer inneren Welt in Gebeten Ausdruck gaben, hat mich sehr berührt», erzählt er. «Jeden Dienstagabend feiern wir zudem in der Krypta der Liebfrauen-Kirche in Zürich eine Friedensandacht und beten für die Opfer des Krieges und ihre Angehörigen.»

Text: Beatrix Ledergerber