Leben in Beziehung

Seitenwechsel

Meine Notizen liegen vor mir, voller Gleichungen und Diagramme, Fragen und Anmerkungen. Wissend und fast frech blicken sie mich an. 

Ich habe viele Stunden damit verbracht, um nach Beispielen, Analogien und Lernaktivitäten zu suchen, die das Verständnis erleichtern. Ich will so unterrichten, wie ich damals als Student gerne unterrichtet wurde. 

Heute stehe ich auf der anderen Seite: Als Doktorand lehre ich Festkörperphysik an der ETH Zürich. Ein faszinierendes Fach! Es geht um die Erforschung physikalischer Eigenschaften von Festkörpern, mithilfe der Quantenmechanik, des Elektromagnetismus, der Kristallographie sowie zahlreicher anderer Bereiche der Physik. Ohne Festkörperphysik wäre unsere technologische Gegenwart kaum denkbar. Ihre rasante Entwicklung hat beispielsweise zu Entdeckungen wie Transistoren und Halbleitermaterialien geführt.

Es ist nicht das erste Mal, dass ich an der Uni eine Vorlesung betreue. Selber zu unterrichten, ist ein wesentlicher Bestandteil des Doktorates. Es ist jedoch das erste Mal, dass ich einen spezialisierten Kurs unterrichte, und die Herausforderung ist gross. So schön die Themen auch sind, es handelt sich immer noch um einen Einführungskurs, in dem vieles vereinfacht werden muss, um ein intuitives Bild der Phänomene zu vermitteln. Die richtige Sprache zu finden, ist keine leichte Aufgabe. Es muss ein Gleichgewicht bestehen zwischen der Komplexität des Themas und der Anwendung von Methoden, die den Studierenden vertraut sind und es ihnen ermöglichen, Sachverhalte besser zu verstehen.

Ich erinnere mich gut daran, wie es war, an ihrer Stelle zu sein. Während der Vorlesung ein Blatt nach dem anderen mit Kritzeleien zu füllen, ohne vieles davon komplett zu verstehen. Aber genauso gut erinnere ich mich an Tutorien, in denen eine Doktorandin oder ein Doktorand mit Sorgfalt, Geduld und einer bemerkenswerten Liebe zum Thema Verwirrung in Verständnis verwandeln konnten. Ich bin heute immer noch sehr dankbar für jene Menschen, die durch einen guten Unterricht Begeisterung und Faszination für ein Fach verbreiteten. 

Jetzt, wo ich diese Rolle übernehme, versuche ich, meine Studis kennenzulernen, mit ihnen zu reden und ihnen zuzuhören. Ich habe eine kleine Gruppe vor mir und daher ist dies auch möglich. Es ist mir sehr wichtig, eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen und eine offene Kultur zu fördern, in der das Hinterfragen von allem nicht nur willkommen, sondern erwünscht ist. Schliesslich lerne ich auch eine Menge von ihnen.