Leben in Beziehung

Sola una persona!

Die letzten sechs Monate haben wir bedingt durch berufliche Sabbatzeiten grösstenteils getrennt verbracht. Ich war mehrere Wochen in New York und Italien unterwegs.

Anders als bei jungen Leuten scheint es etwas exotisch, mit Anfang 40 – länger, freiwillig und ohne Businesskontext – allein zu reisen. Es begann noch zuhause: Ob ich mir zutraue, so lange allein zu sein? Ja! Ohne Gregor zu sein, heisst ausserdem nicht zwingend, allein zu sein. Ob ich keine Angst habe, mich allein zurechtzufinden? Nein, keine Angst.

Die Irritationen setzen sich an meinen Reisezielen fort und sind vor allem mit Restaurantbesuchen am Abend verbunden. In manchen New Yorker Lokalen wurden keine Reservationen für Einzelgäste vergeben (ohne Reservation aber oft kein Platz) Ergatterte ich einen Tisch, wurde ich in der Regel freundlich-distanziert, aber oft «emsiger» als andere bedient. Warum? Vermutete man, dass ich nur zur schnellen Nahrungsaufnahme da sei und mich möglichst rasch dem Anblick all der romantischen Paare wieder entziehen wolle? War es schwer auszuhalten, mich als «Frau im besten Alter» allein zu sehen, weil das für sich selbst nicht vorstellbar war? Wirkte ich einsam? Es ging mir grossartig und ich zelebrierte jeden 
Restaurantbesuch.

Anders in Italien. Abseits der Hauptsaison waren Reservationen nicht nötig. Stets bekam ich einen Platz – und begleitend dazu meist mit grossen Augen die Frage «Sola una persona?».

Einmal sass ich spätabends mit einem Glas Wein auf einer hübschen Terrasse und wartete auf meine Bestellung. Wenige Tische weiter speiste eine amerikanische Familie mit zwei Töchtern im Primarschulalter. Ich schnappte auf, dass eine die Eltern darauf aufmerksam machte, dass ich allein dort war. Mir schien, dass die Eltern Erklärungen suchten, warum ich den Abend «ganz allein» im Restaurant verbrachte. Gern hätte ich den Girls gesagt, dass ich allein dort war, weil es mir Freude machte, und dass ich ihnen wünschte, dass auch sie später gut mit sich allein sein können. 

Jedenfalls bestellte ich noch ein Glas Wein und blieb auch deswegen noch lange sitze, damit sich die beiden (und auch die Eltern) das Bild einer mit sich selbst zufriedenen und den Abend allein geniessenden Frau einprägen konnten. Huch, da wollte ich ein wenig «missionieren», wenn auch nicht dem vatikanischen Frauenbild entsprechend.

Morgen gehen wir übrigens gemeinsam in den Ausgang. Und am Wochenende haben wir den Tisch voller Gäste. Hach, ich freue mich!

Text: Hella und Gregor Sodies