Suchbewegung im Dienst Gottes

Interview

Suchbewegung im Dienst Gottes

Am 4. Februar wurden in Zollikerberg vier verheiratete Männer zu Ständigen Diakonen geweiht. Andreas Bolkart ist einer von ihnen. Weshalb hat er sich weihen lassen?

Sie haben viele Jahre ohne Weihe als Seelsorger gewirkt. Jetzt lassen Sie sich zum Ständigen Diakon weihen. Warum? Was hat Ihnen gefehlt?

Andreas Bolkart: Ein Generalvikar, mit dem ich mich immer wieder austausche, fragte mich direkt, ob ich mir diesen Weg des Diakonats vorstellen könnte. Rückblickend gesehen war es der Weckruf zu einer Berufung, die schon lange in mir war. Gefehlt hat mir nichts, vielleicht habe ich mich in diesem Moment von Gott finden lassen. 

Was wird anders, wenn Sie geweiht sind?

Für mich ist es mein öffentliches Bekenntnis, dass ich mich ganz in den Dienst Gottes stellen will. Der Bischof weiht mich und sendet mich mit dem Auftrag, mich um die Armen, Verletzten, Einsamen und Suchenden zu kümmern. Das gehört zum kirchlichen Grundauftrag, auch wenn es nicht im Pflichtenheft aufgeführt ist.

Wären Sie eine Frau, dann bliebe Ihnen die Weihe verwehrt. Haben Sie sich auch darüber Gedanken gemacht?

O ja. Vor kurzem hatte ich im Rahmen der Vorbereitung zur Diakonatsweihe ein Gespräch mit dem Bischof. Als er mich spontan fragte, ob ich einen Wunsch hätte, antwortete ich ihm: Ich wünsche, dass auch Frauen in Zukunft diese Weihe empfangen dürfen.

Die Kirche ist zutiefst weiblich. Es geht aus meiner Sicht um eine Wesensfrage und nicht um das Teilen von Macht. Das alleine würde die Bestimmung verfehlen. Es geht um den Anruf, uns neu der Urberufung des Diakonats und des Priestertums zu stellen und uns gemeinsam in dieser Suchbewegung auf den Weg zu machen.

Seit vielen Jahren sind Sie in der Seelsorge tätig. Was war ein besonderer Moment, den Sie in letzter Zeit erlebt haben?

Als ich zusammen mit Schwester Ariane an der Langstrasse Essen verteilte, sprach mich ein Mann auf Italienisch an. Dann erzählte er mir, wie seine Mutter sich das Leben genommen hatte, und bat darum, dass ich ihn segne. Ich antwortete ihm: «Ich tue es gerne, aber nur wenn du auch etwas für mich tust.» Er antwortete mir recht scharf, ob ich nicht sehe, dass er mir nichts geben könne. «Doch», sagte ich, «ich bitte dich darum, dass auch du mich segnest.» Mit zitternden Händen und einem tief gehenden Blick segnete er mich und ich segnete ihn.

Gab es auch Tiefpunkte?

Ja, die gab es. Auch absolute Tiefpunkte und Verletzungen habe ich in der Kirche erlebt, sodass ich für zwei Jahre nicht mehr in die Kirche gehen konnte. Dazu zählen Missbrauch oder der Bruch des Beichtgeheimnisses. Heute begleite ich Menschen in Brüchen, in Verzweiflung, Missbrauch und in teils tiefen Verletzungen. Die eigene Verwundung hat mich für die Not dieser Menschen sensibilisiert und innerlich darauf vorbereitet.

Sie bringen viel Lebenserfahrung mit. Welchen Ratschlag geben Sie jüngeren Kollegen mit?

Ich möchte ihnen wünschen, dass sie das Wagnis eingehen, die eigene Begrenztheit immer wieder wahrzunehmen, weil wir genau dort Gott begegnen. Das, was uns wirklich zueinander bringt, ist unsere Zerbrechlichkeit, unsere Schwachheit und daraus der Ruf nach einem Gegenüber.

Text: Arnold Landtwing, Informations­beauftragter des Generalvikariats Zürich/Glarus