Über Hände und Welten

Fastenaktion

Über Hände und Welten

Emeka Udemba hat das Hungertuch für die Jahre 2023 und 2024 erschaffen. Zu Besuch in seinem Atelier.

Das Hungertuch hängt noch unvollendet an der Wand seines Ateliers in Freiburg in Breisgau. Gelungen ist das gros-se Bild voller Farben und Schnipsel allemal. Diese bilden die Grundlagen für Udembas Kunst. Er reisst Papierstücke aus Zeitungen und Magazinen, klebt sie auf die Leinwand, überklebt sie mit anderen Schnipseln und übermalt das Ganze mit Farben. Diesen Vorgang wiederholt er etliche Male, bis eine collageartige, bunte Fläche entsteht. Die Grundlage besteht aus diversen unspezifischen Papierschnipseln, wobei auf der Oberfläche dann einige Wörter bewusst herausgehoben sind. Diese Technik zeigt sein Interesse an Informationen und der Art, diese zu kommunizieren. Sozialpolitik, Klassifizierungen, Stereotypen – wir finden sie in Bildern, Wörtern, bewussten Erwähnungen sowie Auslassungen. Kommunikation präge uns, meint Udemba, so wie er mit jedem Wortschnipsel seine Werke prägt. Auf dem Hungertuch sind Begriffe wie «Das Leben» oder «Farbe bekennen» eindeutig zu lesen. Sie sollen zu Diskussionen anregen. Was lösen sie bei der betrachtenden Person aus? Wie stehen sie im Zusammenhang mit dem Sujet des Bildes?


Das kostet die Welt

Das Bild zeigt zwei Händepaare. Männerhände und Frauenhände aus verschiedenen Kulturen – trotz unterschiedlicher Grösse und Färbung von derselben Welt, die sie gemeinsam beschützen. Wovor die Erde geschützt werden müsse? Auch hier gehe es ihm um die Interpretation der Betrachterinnen und Betrachter. Udemba erwähnt jedoch spezifisch den Konsumdurst reicher Länder. Güter, die wir in diesem Überfluss eigentlich gar nicht wirklich brauchen, hergestellt von günstigen Produktionskräften mit Billigrohstoffen aus armen Ländern. «Da wir hier alles so billig bekommen, werden die Leute dort sehr schlecht bezahlt, und das treibt sie in die Armut.» Weiter erwähnt er die gestiegenen Brotpreise in Afrika als Folge des Kriegs in der Ukraine. Alles hänge zusammen, ein Teufelskreis der Ungerechtigkeit. Hervorgehobene und gut lesbare Papierschnipsel zeigen «Darf’s noch etwas mehr sein?» oder «Das kostet die Welt». 

Emeka Udemba in seinem Atelier in Freiburg. (Foto: Selina Stadler)

«Was ist uns heilig?»

«Wir müssen die Welt so gestalten, dass jeder Teil der Erde die Möglichkeit hat, sich selbst zu ernähren und zu versorgen», meint Udemba weiter. Dies ist an gewissen Orten jedoch gar nicht mehr möglich. Dürren, Überschwemmungen und weitere Folgen des Klimawandels erschweren den Menschen die Saat und die Ernte im eigenen Land. Der Titel des Hungertuchs «Was ist uns heilig?» lässt uns, genauso wie das Bild selbst, reflektieren. Sind die schützenden Hände um die Weltkugel ein Symbolbild für das Sorgetragen zur heiligen Mutter Erde? Stellen die Schnipsel «Der Mensch», «Der Anfang» oder «Das Leben» mögliche Antworten auf die Frage dar, was uns heilig ist? Die Hoffnung hat Emeka Udemba – trotz Rassismus und Missständen, die er selbst erlebt oder gesehen hat – nicht aufgegeben, das zeigt seine Kunst.

Text: Selina Stadler / vej