Editorial

Frühlingshafte Leichtigkeit

Es kostet mich immer auch Überwindung: das Handy abzuschalten, in ein Haus der Stille zu gehen und zu schweigen, eine Woche lang.  

Eine Woche Exerzitien, geistliche Übungen nach dem heiligen Ignatius von Loyola. Wenn ich dann wieder zurück bin im normalen Leben, spätestens dann weiss ich, warum ich es doch immer wieder tue. Es ist wie Frühjahrsputz für die Seele.

Diesmal waren wir in den Exerzitien mit dem Propheten Elija unterwegs. Der kernige Mann im Ersten Testament der Bibel, der im Namen Gottes dem Machthaber seiner Zeit entgegentritt und ebenso seiner perfiden Gattin, der Feuer auf die Erde regnen lässt – und auch Resignation kennt: «Nun ist es genug, Herr», stöhnt er an einer Stelle. «Ich bin nicht besser als meine Väter.» Und geht in die Wüste, um zu sterben.

Jetzt natürlich: Nix da mit Sterben. Im Gegenteil: Weiter wandert er durch die Wüste, bis an den Ort, an dem alles begonnen hatte. Was wäre das für Sie, liebe Leserin und lieber Leser? Der Ort Ihrer ersten Begeisterung, der Sie zu dem gebracht hat, was Sie womöglich bis heute tun? Elija läuft zurück zum Berg Horeb, aber: Jenen Gott, den er damals dort erlebt hat – den gibt es gar nicht mehr. Gott zeigt sich ihm zwar – aber ganz anders.

Mir ist das eingefahren, in dieser Zeit der Stille. Schlagartig wurde mir bewusst: Ich lebe ja in einem Museum! Nicht äusserlich, sondern innerlich: Bilder, Eindrücke, Imperative, wie viele Gefühle und Haltungen sind da immer noch in mir wirksam, Restbestände alter Erlebnisse – die alle lange schon nicht mehr sind! Die Menschen, denen ich sie verdanke – selbst wenn sie noch am Leben sind, sie sind nicht mehr die, die sie damals für mich waren, weil sie andere geworden sind, und so auch ich. Manches belastende Gefühl, manches Erlebnis, das mich bis heute beeinflusst, konnte ich so relativieren. Frühlingshafte Leichtigkeit.