Mit technologischen Mitteln, die leistungsfähiger werden, kriegen wir das Leben immer besser in den Griff. Naturwissenschaftliche Erkenntnisse erklären uns die Welt zunehmend präziser. Ist der religiöse Glaube da tatsächlich noch glaubwürdig? Oder hat die Wissenschaft Gott abgeschafft?
Versetzen wir uns zurück in ein antikes Weltbild. Hier gab es ein klares Oben und Unten, die Erde stand im Zentrum des Kosmos. Bis die Beobachtungen und Berechnungen von Naturforschern und -philosophen sie von dort verdrängten: Wenn nun aber die Erde um die Sonne kreist und nicht umgekehrt, was wird dann aus der zentralen Stellung der Welt und des Menschen im Kosmos? Wenn es kein «da oben im Himmel» mehr gibt, sondern nur noch ein «da draussen im Weltall»: Wo sind dann die Verstorbenen – und wo ist Gott selbst? Jüngere naturwissenschaftliche Anfragen an den Glauben kommen aus der Gentechnologie und der Reproduktionsmedizin: Nicht Gott entscheidet über den Segen von Nachkommenschaft, sondern die Medizintechnik (und die geltende Gesetzeslage, die ihre Anwendung regelt).
Manche Wissenschaftler glauben nun, Gott in bestimmten Genen oder Gehirnarealen gefunden zu haben. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind dann seriös, wenn ihnen klar ist, dass es so einfach nicht ist. Wenn ihnen bewusst ist, dass ihre Wissenschaften mit bestimmten Methoden funktionieren, die ebenfalls ihre Grenzen haben. Gott «gibt» es nun einmal nicht auf dieselbe Weise, wie es die Dinge unserer Welt gibt. Darum entscheidet sich die Frage nach Gott nicht im Labor und auch nicht im Hirnscanner.
Die Frage nach Gott entscheidet sich vielmehr in der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Weltbildern. Das heisst konkret, in der Auseinandersetzung mit Fragen, zu denen unsere jeweilige Antwort weitreichende Folgen hat: Verstehen wir den Menschen als unbedeutendes Sandkorn im Universum? Oder verstehen wir ihn als geistbegabtes Wesen, in dessen Denken und Forschen die Natur sich ihrer selbst bewusst wird? Sprechen wir von einem Produkt menschlicher Planung und Berechnung, das gelungen ist oder auch weniger – oder von einem Kind als Geschenk Gottes? Reduzieren wir uns selbst, ja letztlich das «Ich», auf ein Neuronengestöber im Gehirn – oder ist es zulässig, von Empfindung, (Selbst-)Wahrnehmung, von Geist und Unverfügbarkeit zu sprechen? Die Frage, ob wir Gott aus der Welt schaffen, entscheidet sich nicht auf naturwissenschaftlichem Terrain, sondern in der Beantwortung solcher und ähnlicher Fragen.