Analytisch denken und katholisch fühlen

Katholische Kirche im Kanton Zürich

Analytisch denken und katholisch fühlen

Seit November 2020 – mitten im Corona-Loch – ist Barbara Winter-Werner Synodalrätin. Ihre Herzensprojekte: Asyl- und Gefängnisseelsorge.

«Der schwierigste Schritt für Gefangene ist oft ihre Strafentlassung», sagt Barbara Winter. «Wie weiter? Keine Arbeit, keine Freunde ...» In dieser schwierigen Zeit bietet die ökumenische Gefängnisseelsorge mit ihrem Projekt «Comeback» Unterstützung. «Dieses Projekt lief schon, als ich 2020 angefangen habe», erzählt Synodalrätin Winter. «Unser katholischer Seelsorger Beat Röösli ist dafür zuständig.»

Aktuell im Aufbau sei nun ein zweites, ebenso wichtiges Projekt: die An-gehörigen-Arbeit. «Wir sind daran, eine interreligiöse Anlaufstelle für Angehörige von Gefangenen aufzubauen, gerade konnten wir eine 60 %-Stelle für die Projektleitung sowie erste Beratungen und Kontakte besetzen», freut sie sich.


Interreligiöse Seelsorge

Besonders wichtig ist ihr der Einbezug von muslimischen und orthodoxen Seelsorgenden, um die Menschen dort abzuholen, wo sie stehen. Das sei auch in der Asylseelsorge so, wo sich die katholische und reformierte Kirche im Kanton Zürich zusammen mit der Muslimischen Seelsorge Zürich um die interreligiöse Seelsorge in den Bundesasylzentren im Kanton Zürich kümmern. «Die Situation im Asylwesen ist einem steten Wandel unterworfen. Gerade wurde in der Kaserne Dübendorf vorübergehend ein neues Asylzentrum eröffnet», erzählt sie. «Da sind wir nun gefordert, so schnell wie möglich auch für die Menschen dort die Seelsorge zu gewährleisten.»

Barbara Winter spricht begeistert von ihrem Ressort «Ökumenische Seelsorge», zu der auch die Bahnhof-, Flughafen-, Internet- und Notfallseelsorge sowie die Seelsorge für Polizei und Rettungskräfte gehören. Sie sei zwar in dieses Ressort «hineingerutscht», möchte es aber heute nicht mehr missen. Sie wurde während der Amtszeit für den erkrankten und später verstorbenen Willy Lüchinger in den Synodalrat gewählt und hat sein Ressort übernommen. Nach vielen Wechseln in diesem Ressort möchte sie nun gerne Stabilität und Kontinuität aufbauen.

Barbara Winter ist Naturwissenschaftlerin. Zuerst studierte sie Chemie, konnte dann aber wegen einer Allergie kaum in dem Beruf arbeiten. So studierte sie noch Betriebswissenschaften, arbeitete Teilzeit in einer Bank und bei einer Versicherung. Als ihre beiden Kinder im Schulalter waren, hat sie in Bern die «Plattform Chemie» der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT) aufgebaut. Später jedoch habe die Belastung mit dem Pendeln, Teenager-Kindern und kranken Eltern nicht mehr gepasst. Sie habe gekündigt und sich eine Auszeit gegönnt, dabei aber noch die universitäre Weiterbildung in «Angewandter Ethik» absolviert. In dieser Zeit wurde sie von den Verantwortlichen ihrer Pfarrei St. Marien Oberwinterthur angefragt, ob sie das Projekt «Anhaltspunkt Neuhegi» aufbauen wolle. Mit Begeisterung hat Barbara Winter diesen Auftrag angenommen. Heute leitet sie in einer 60 %-Anstellung dieses gut laufende, ökumenisch ausgerichtete und weltoffene Begegnungszentrum, das im Herbst sein 10-Jahr-Jubiläum feiert.


Arbeit auf beiden Seiten

Ihr gefällt diese Arbeit «auf beiden Seiten des dualen Systems»: in Neuhegi ist sie auf der pastoralen, als Synodalrätin auf der staatskirchenrechtlichen Seite. «Als Naturwissenschafterin bringe ich eine etwas andere Denkweise hinein: ich bin analytisch und strategisch unterwegs. Das hilft mir, wo nötig, kritisch zu hinterfragen.»

Das katholische Lebensgefühl, das sich in Gottesdienst, Liturgie und Ritualen ausdrückt, erlebt die reformiert aufgewachsene Barbara Winter als Bereicherung und Ergänzung. Ihr Mann sei katholisch, sie wollten die Kinder katholisch erziehen – so sei es für sie nahegelegen, zu konvertieren. Exerzitien im Alltag, sich Zeit nehmen für Spiritualität und Glaube, das ist ihr wichtig zum Kraftschöpfen.

Text: Beatrix Ledergerber