Die negativen Folgen der Industriellen Revolution und der Technisierung unserer Lebenswelt wurden schon vor 50 Jahren angemahnt. Inzwischen ist klar, dass die Folgen des Klimawandels für die Menschheit einschneidend sind. Gleichzeitig – und dies geht oft vergessen – leidet auch die Artenvielfalt. Artensterben wie Klimawandel gefährden riesige Ökosysteme mit ungeahnten Folgen für das Leben der Menschen.
Der Zusammenhang zwischen Klimawandel und CO2-Ausstoss ist seit vielen Jahrzehnten bekannt. Beim Klima kennt man sogenannte Kipppunkte. Diese lösen sich verselbstständigende Domino-Effekte aus, die den Wandel beschleunigen. Als ein solcher Kipppunkt gilt, wenn der menschengemachte durchschnittliche Temperaturanstieg im Vergleich zur vorindustriellen Zeit die Grenze von 1,5 Grad überschreitet. Diesem Punkt nähert sich die Menschheit schnell, und es ist fraglich, ob sich dies noch verhindern lässt. Der UN-Klimarat schätzt, dass darum der CO2-Ausstoss bereits vor 2030 massiv reduziert werden muss und ab 2050 netto gar kein CO2 mehr ausgestossen werden darf. Davon ist die Menschheit – und besonders jene in industrialisierten Gegenden – weit entfernt, denn wir stossen nach wie vor jedes Jahr (mit Ausnahme des ersten Pandemiejahrs 2020) mehr Treibhausgase aus statt weniger.
Vom Klimawandel sind zudem jene Menschen besonders betroffen, die am wenigsten dazu beigetragen haben. Viele von ihnen werden ihre Heimat verlassen müssen. So schätzt die Weltbank, dass es bis 2050 über 140 Millionen Klimaflüchtlinge geben wird. Noch härter wird es die Ärmsten der Armen treffen, die nicht einmal die Mittel zur Flucht haben. Es besteht also eine verschärfte Ungerechtigkeit: Es sind vor allem die Reichen, die den Klimawandel verursachen, doch es sind vor allem die Armen, die darunter leiden.
Gegner von Klimaschutzmassnahmen verweisen oft auf China oder Indien, die deutlich mehr Treibhausgase ausstossen als die Schweiz. Dabei wird übersehen, dass diese Länder viele Güter für den Konsum in unseren Weltregionen produzieren. Statistisch verursacht das Konsumverhalten eines Schweizers (15,4 Tonnen) fast doppelt so viel CO2-Emissionen wie das eines Chinesen (8,2 Tonnen) und beinahe zehnmal so viel wie das eines Inders (1,7 Tonnen). Die Schweiz gehört somit zu den wichtigen Verursachern des Klimawandels.
Wegweiser: Schöpfung oder Ressource
Was sehen Sie, wenn Sie in die Welt blicken? Ressourcen, Wirtschaftspotentiale, Reiseziele, Freiheitsräume, Bedrohungen oder die Schöpfung Gottes?
Es ist unbestritten, dass die Mensch, wenn sie (über)leben wollen, die Welt um sich herum bearbeiten und gestalten müssen. Wie wir die Um-Welt betrachten, ist somit entscheidend für unser Handeln. Während ein ökonomistischer Blick in allem eine Art «Ressource» sieht, erkennt eine holistische Sicht in allem, was ist, Gleichwertiges, das ohne jegliche Unterschiede zu schützen ist. Eine biblisch-christliche Perspektive betrachtet, was ist, als Schöpfung Gottes. Diese ist dem Menschen als Mitgeschöpf anvertraut. Damit wird der blossen Ressourcen- oder Nutzenorientierung Grenzen gesetzt.
Als Leitplanke gilt das Nachhaltigkeitsprinzip. Es verlangt, dass Entwicklungen so zu gestalten sind, dass auch nachfolgende Generationen sich ganzheitlich entwickeln können. Was für die Menschen gilt, macht im Schöpfungsverständnis auch Sinn für alle Kreaturen. Papst Franziskus weist in der Enzyklika «Laudato si’» eindringlich darauf hin, die Schöpfung als Haus zu betrachten, zu dem wir Menschen als Ganzes Sorge tragen müssen. Die Sorge für das Klima ist darum eng mit der Sorge um den Menschen verbunden. Hier erinnert das Solidaritätsprinzip daran, dass diese Sorge insbesondere den Armen und den am meisten Benachteiligten gilt.
Im Weiteren mahnen Subsidiaritäts- wie Gemeinwohlprinzip, dass dort Massnahmen ergriffen werden und Handeln gefordert ist, wo Möglichkeiten und Raum dafür bestehen. Nicht nur Hilfe zur Selbsthilfe ist gefragt, sondern auch der Einsatz zum Wohl aller (!) – auch wenn dies mit Lasten verbunden ist. Dies bedeutet, selber aktiv zu werden, auch wenn keine Gesetze dies fordern, und es heisst, den eigenen Wohlstand und Lebensstil kritisch zu hinterfragen und sich zum Wohl aller zu begrenzen.
Entscheidung
Die enge Verknüpfung von Klimawandel und sozialer Ungleichheit wird vom Klimagesetz nicht beachtet. Es fokussiert lediglich auf ein klimafreundliches Verhalten und will Innovationen subventionieren. Gleichwohl stellt es eine für die Schweiz machbare Option zur Wahl. Wer darin einen wichtigen Schritt und zumutbaren Beitrag für weltweit bessere Verhältnisse und Ausdruck der Sorge für die Schöpfung wie auch internationale Verantwortungsübernahme sieht, wird zustimmen. Wer dies für unzumutbar hält, wird eher ablehnen.
Worum geht es?
Ende 2019 wurde die Gletscher-Initiative eingereicht, die bis spätestens 2050 den Ausstieg aus den fossilen Energien wie Erdöl, Erdgas oder Kohle fordert sowie die Treibhausgasemissionen auf Netto-Null senken will. Dazu verlangte sie verlässliche Rahmenbedingungen. Der Bundesrat sprach sich im August 2021 klar gegen diese Initiative aus und unterbreitete einen Gegenvorschlag. Diesen wandelte das Parlament in einen indirekten Gegenvorschlag um – das Klimaschutzgesetz. Daraufhin wurde die Gletscher-Initiative bedingt zurückgezogen. Weil gegen den indirekten Gegenvorschlag von der SVP das Referendum ergriffen wurde, kommt es am 18. Juni zur Abstimmung. Sollte das Gesetz abgelehnt werden, werden wir auch über die Gletscher-Initiative abstimmen.
Das nun zur Abstimmung stehende Klimagesetz setzt im Unterschied zum abgelehnten CO2-Gesetz von 2021 auf die Förderung klimafreundlichen Verhaltens. Es verlangt wie die Gletscher-Initiative die Senkung der Treibhausgasemissionen auf Netto-Null, und will dies durch die Unterstützung klimaschonender Heizungen (2 Milliarden Franken) sowie durch Fördermittel für innovative Technologien (1,2 Milliarden Franken) in Industrie und Gewerbe erreichen. Die Gegner kritisieren vor allem den damit verbundenen erhöhten Stromverbrauch.